Nachdem ich mit Benny über Marlene gesprochen und erfahren hatte, dass sie den Eindruck machte, über mich hinweg zu sein, rang ich noch mehrere Tage mit mir, ob ich Marlene auf dem Handy anrufen sollte. Laut ihm war sie nicht mehr so sauer wie zu Anfang, also könnte ich es doch wagen, oder?

 

Irgendwann hatte ich dann wirklich einfach ihre Nummer gewählt. Immerhin stand ja immer noch diese dumme Sache zwischen uns, über die ich noch einmal mit ihr reden wollte. Wenn sie dann abblocken würde, hätte ich es zumindest versucht.

Nachdem sie sich gemeldet und ich meinen Namen gesagt hatte, blieb es kurz still in der Leitung.

"Lucas! Wieso rufst du an?", fragte sie dann.

"Ich möchte dich sehen", sagte ich gleich direkt.

"Und wer sagt, dass ich dich sehen will?", gab sie mir zurück. Ich seufzte auf.

"Ich kann dich nur lieb fragen, ob du mit mir was trinken gehst. Es wäre doch einen Versuch wert, oder?", gab ich zurück. Wieder Stille. Solange, dass ich schon nachfragen wollte, ob sie überhaupt noch da war.

 

Doch dann kam ihre Stimme wieder aus dem Hörer:

"Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist", meinte sie dann.

"Natürlich ist es das. Du weißt doch so gut wie ich, dass ich mich entschuldigen möchte"

"Tja, und da hätten wir schon das Problem: Vielleicht möchte ich deine Entschuldigungen einfach nicht mehr hören", meckerte sie.

"Ich kann dich weiß Gott nicht dazu zwingen", entgegnete ich dann sofort. Ich war auf so eine Reaktion gefasst gewesen und hatte mir schon ein paar Worte zurechtgelegt. "Aber ich fände es mehr als blöd, wenn wir zwei so auseinandergehen würden"

"Ja, das würde dich richtig stören, oder? Klar, der perfekte Lucas Schiller mit so einem Problemchen. Das geht gar nicht!", sagte sie sarkastisch. Perfekt. Hatte sie wirklich perfekt gesagt? Kannte mich Marlene eigentlich richtig? Da hatten wir mehrere Monate unter einem Dach gelebt und sie kam mir mit so einem Spruch daher?

"Um das geht es doch nicht", sagte ich bemüht ruhig. "Aber gut", seufzte ich auf, "wenn du nicht willst, dann lassen wir es". Ich wollte schon ein paar abschließende Worte sagen, als sie dann sagte:

"Meinetwegen. Dann höre ich mir eben an, was du zu sagen hast, ändern wird sich eh nicht viel. Also verspreche dir nicht zuviel davon! Wann und wo sollen wir uns treffen?". Wir verabredeten uns noch für den gleichen Abend im Frank`s.

Die Begrüßung fiel erwartungsgemäß kühl aus. Marlene machte mir gleich klar, dass sie den Sinn von diesem Treffen noch nicht wirklich sah. Beste Voraussetzungen also, dachte ich ironisch. Wir betraten die gemütliche Kneipe und setzten uns an einen der Tische am Eingang.

Marlenes Haare waren in der Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten, ganz schön gewachsen. Und ihr Blick mir gegenüber war eisig kalt. Nun, da musste ich jetzt durch, ich war ja schon froh, dass wir heute hier überhaupt zusammen saßen. Denn ich wollte mit ihr über diese dumme Sache mit Brandi reden.

"Danke, dass du gekommen bist", sagte ich dann versöhnlich zu ihr.

"Ja. Ich würde mir darauf allerdings nicht zuviel einbilden", schoss sie mir entgegen. "Eigentlich hat mich mehr die Neugier, was du mir nun sagen wirst, hierhergetrieben". Tiiiief Luft holen, Lucas!, befahl ich mir selbst und tat, wie ich mir selbst geheißen. Ich räusperte mich und fuhr fort:

"Mehr kann ich wohl nicht erwarten. Aber gut, dann lasse mir dir wenigstens diese Sache erklären" 

"Na, da bin ich aber gespannt!", frotzelte sie, "Lass mich raten: Du warst sturzbetrunken und hast Brandi nicht erkannt! Oder dir hatte jemand etwas in dein Getränk gekippt und du hast überhaupt keine Erinnerung daran, wie denn sowas passieren konnte!", gab sie die haarsträubensten Beispiele zum Besten.

"Marlene, dürfte ich vielleicht mal selbst was sagen?", fragte ich sie nun.

"Oh, nur zu! Wie gesagt, ich bin schon ganz gespannt!". Noch einmal holte ich tief Luft.

"Sehr nett, danke", sagte ich leicht säuerlich. Natürlich war mir klar gewesen, dass es nicht leicht werden würde. Und auch, dass sie noch sauer war. Aber dass sie mich nur verspottete und mich gar nicht richtig zu Wort kommen ließ, hätte ich nicht erwartet.

Aber dann begann ich wirklich zu reden. Marlene war die meiste Zeit still und in sich gekehrt, doch sie hörte mir zu.

 

Ich erzählte von dem Moment, an dem ich Brandi in der Stadt getroffen hatte. Davon, dass Brandi mir gegenüber immer so kühl gewesen war und ich wissen wollte, ob ich auch eine Frau erobern konnte, die mich so offensichtlich ablehnte. Und davon, wie überrascht ich gewesen war, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, aber Brandi und ich nur geknutscht hatten. An dieser Stelle schnaubte Marlene hörbar.

"Ich weiß, dass das nicht hätte passieren dürfen, Marlene!", sagte ich dann. "Ich habe dich verletzt. Ich war nicht gerade in Höchstform in dieser Zeit, das muss ich zugeben. Irgendwie... geriet alles außer Kontrolle. Aber ich hoffe, dass du mir das verzeihen kannst, so dass wir wenigstens wieder ganz normal miteinander reden können, wenn wir uns irgendwo über den Weg laufen". Nun war es Marlene die aufseufzte und einen großen Schluck aus ihrem Glas nahm.

"Du weißt nicht wie das ist", sagte sie. "Die beiden Menschen, die mir soviel bedeuteten, haben mich so hintergangen. Das war mehr als hart"

"Ich weiß", gab ich zu. "Mir würde es nicht anders gehen".

"Du bist so ein Scheusal", sagte sie mir dann, "Und doch werde ich dir wohl verzeihen, damit Gras über die Sache wachsen kann, denn mich macht das selbst so fertig. Mit Brandi habe ich auch wieder Kontakt, schon eine Weile. Auch sie hat mir das alles schon mehrmals erklärt. Was soll ich machen? Man wirft eine jahrelange Freundschaft nicht so einfach weg. Allerdings - es ist nicht mehr wie davor. Das Vertrauen ist weg, verstehst du?". Ich senkte beschämt den Kopf.

"Ja... das kann ich mir vorstellen. Aber glaube mir: Sie hat es ebenso bereut wie ich. Keiner von uns würde das noch einmal machen". Marlene fuhr sich müde über die Augen.

"Ich weiß. Und doch war es eine harte Zeit danach. Benny hat mir viel geholfen".

"Er ist toll, nicht wahr?", fragte ich sie.

"Und ob. Ich freue mich für ihn, dass er jetzt so glücklich ist"

"Ja, ich auch. Benny und Amber passen so gut zusammen". Ich wusste nicht, ob Marlene je bemerkt hatte, dass Benny auch eine zeitlang an ihr interessiert gewesen war, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr.

"Was meinst du, Marlene", sagte ich, "sollen wir mal versuchen, ob das mit dem Verzeihen klappt und eine Runde Billard spielen?", schlug ich vor. Und dann stahl sich tatsächlich ein kleines Lächeln auf Marlenes Gesicht.

"Okay", sagte sie, "Wenn ich dich dann aber nicht mehr ertragen kann, lasse ich es dich rechtzeitig wissen". Nun musste auch ich schmunzeln.

"Alles klar. Tu` das!", sagte ich, dann gingen wir die alte Treppe nach oben.

Tja, und dann spielten wir tatsächlich zusammen Billard, Marlene und ich. Natürlich stand noch viel zwischen uns, das war auch hier ganz deutlich. Wir alberten nicht so wie früher, wir waren nicht so gelöst wie damals vor dieser Sache. Aber wir konnten reden, das war schon ein wichtiger Schritt.

Marlene erzählte mir, dass sie aus Two Lake weggezogen war, nach Pleasantview, einer Stadt etwa 15 Autominuten von Two Lake entfernt.

"Ich fange einfach noch einmal an", sagte sie zu mir. "Ich weiß, dass auch ich Fehler gemacht habe". Ich war gerade dabei gewesen, die weiße Kugel im richtigen Winkel zu einer meiner Halbkugeln zu stoßen, die dann auch brav in das Loch fiel. Doch nun sah ich sie erstaunt an.

"Ich glaube nicht, dass es was gibt, wofür du dir Vorwürfe machen müsstest", sagte ich.

"Doch, natürlich", widersprach sie mir. "Ich habe viel zu lange einfach nicht kapiert, dass du mich nicht liebst"

"Komm`, das haben wir doch schon alle durchgemacht", sagte ich zu ihr. Wobei ich dieses Gefühl in Wirklichkeit tatsächlich nicht so richtig kannte. Wie es war, richtig unglücklich verliebt zu sein, wusste ich einfach nicht. Denn entweder hatte ich die Mädchen bekommen, die ich wollte, oder aber ich hielt es eh so oberflächlich, dass da gar keine unglücklichen Gefühle aufgekommen waren. Niemals. Letzteres galt vor allem für die letzten vier bis fünf Jahre.

"Was denn? Du warst schon unglücklich verliebt?", ertappte mich Marlene dann auch gleich.

"Naja, so als Teen...", stammelte ich und fixierte die nächste Kugel an, die sich allerdings nicht versenkte.

"Wie dem auch sei", sagte Marlene, nachdem sie eine ihrer vollen Kugeln eingelocht hatte, "Ich wollte dir nur sagen, dass dieses Treffen auch deshalb zustande gekommen ist, weil ich... naja.", stammelte sie plötzlich. "Ich habe einen Mann kennengelernt. Ein neues Mitglied im Volleyballverein".

"Hey, das ist ja toll!", freute ich mich.

"Naja, es ist noch nichts Spruchreifes oder so. Aber das hat natürlich geholfen, dir jetzt gegenüberzutreten. Davor wäre das nicht so einfach gegangen", gab sie zu.

"Ach, dann lass` uns das alles doch einfach ad acta legen, ja? Ich wünsche dir viel Glück bei deinem Kollegen! Und halte mich auf dem Laufenden!".

"Das mache ich", sagte Marlene.

 

Und damit wurde der Grundstein gelegt, dass wir tatsächlich immer mal wieder telefonieren konnten.

Der Herbst hatte uns alle schon voll im Griff. Herbststürme tobten um die Häuser, das Laub flog in bunten Farben von den Bäumen und es wurde deutlich kühler. Es war Ende November, die Weihnachtszeit stand vor der Tür, als ich und Oliver ins Krankenhaus gingen, um die Stammzellentransplantation vornehmen zu lassen.

 

Von der OP bekam ich ja dank der Vollnarkose nichts mit, und nach dem Aufwachen im Aufwachzimmer und einer ersten, kurzen Untersuchung durch einen Arzt kam ich in das Krankenzimmer. Ich war allein in dem Zimmer, und da ich Oli auf der Transplantationsstation nicht besuchen durfte, nahm ich eines meiner Architekturbücher, um ein wenig zu lernen.

 

Zwei Tage würde ich nun noch hierbleiben müssen. Irgendwie würde ich die Zeit hier schon herum bringen. Meiner Mutter hatte ich gesagt, dass ich ein paar Tage nicht zu Hause sein würde, weil ich zu Studienzwecken in einer anderen Stadt war. Ich hatte sie belogen, und war mir dabei so schlecht vorgekommen. Aber was sollte ich machen? Ihr einfach mal so nebenbei Oli vorstellen? Das war einfach noch undenkbar.

Ich war gerade in die Grundlagen der Baustatik vertieft, als die Tür aufging und Mark und Johanna hereinkamen.

"Hey, Champion!", begrüßte mich Mark.

Ich legte das Buch auf meinen Nachttisch und stand umständlich auf. Mark meinte sofort:

"Bleib` doch noch liegen!", doch ich nahm ihn in den Arm. Immerhin war der Weg von Two Lake City hierher nach Little Wyoming nicht ganz kurz und ich freute mich riesig, dass die beiden hierhergefahren waren.

"Wie schön, dass ihr da seid!", freute ich mich.

Auch Johanna wurde von mir so begrüßt.

"Und auch du hast den Weg auf dich genommen!", sagte ich zu ihr.

"Das ist doch wohl selbstverständlich", entgegnete sie.

"Äh...", stammelte ich, als ich sie wieder los ließ. Extrem dümmlich, extrem doof, aber ich hatte für einen Moment so einen leergefegten Kopf, dass ich nicht einmal mehr wusste, was sie gesagt hatte. Gott sei Dank war Mark noch da, der mich fragte, ob ich schon wüsste, wie es Oliver ging.

"Naja, als ich vorhin den Arzt gefragt habe, konnten sie noch nichts sagen. Die Stammzellen werden ihm ja durch einen Venenzugang in den Körper geführt. Ein Liter meines Blutes. Wisst ihr schon, dass Oli dann automatisch meine Blutgruppe haben wird? Egal, welche er davor hatte. Ab diesem Moment hat er die gleiche wie ich". Juhu! Mein Hirnschmalz war zurückgekommen!

"Aber man kann noch nicht zu ihm, oder?", wollte nun Johanna wissen, und ich verneinte. Warum ich dann so etwas wie ein erleichtertes Gefühl hatte, weil sie nun die ganze Zeit bei mir bleiben konnte, wusste ich beim besten Willen nicht. War ich nicht egoistisch? Schnell verscheuchte ich diese unehrenhaften Gedanken.

"Wie geht es dir, Kumpel?", fragte mich dann Mark. Puh, ja. Wie ging es mir denn?

"Gut, die kleinen Schnitte an der Hüfte schmerzen natürlich ein wenig. Außerdem spüre ich natürlich schon, dass man mir da am Becken herumgemacht hat. Das fühlt sich seltsam an, irgendwie pelzig. Oder so, als hätte ich dort einen riesigen, blauen Fleck. Aber sonst geht es, ich möchte mich nicht beklagen".

"Hört sich gut an", sagte Mark. Da ich spürte, wie meine Knie zu zittern begannen, legte ich mich wieder auf das Bett.

"Ich habe schon gesehen, dass du fleissig lernst", meinte dann Johanna mit Blick auf das Buch. Ich grinste.

"Ich muss doch die Zeit hier auch ein wenig nutzen, klar! Wenn ich denn jetzt nicht in die Vorlesungen kann"

"Was hast du dir vorhin durchgelesen?", fragte sie mich.

"Grundlagen der Baustatik", antwortete ich.

"Oh", machte Johanna. "Ja, ein wichtiges Thema. Das ich am Anfang kaum kapiert habe", lachte sie los.

"Also das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen!", schmeichelte ich ihr. Und sah sofort erschrocken Mark an. Aber der grinste vor sich hin und meinte dann:

"Also, ihr Superarchitekten. Wenn ich störe, sagt ihr mir bitte Bescheid, ja? Dann gehe ich in die Cafeteria und trinke einen Kaffee"

"Oh, nein, du kannst bleiben", sagte ich gespielt großzügig und ignorierte die Tatsache, dass mir das Blut in die Wangen schoss.

"Na, dann bin ich ja froh", gab er zurück. Dann lenkte ich das Thema auf die bevorstehende Weihnachtszeit und die Weihnachtsmärkte, die nun bald ihre Pforten öffneten.

Drei Wochen später durfte ich dann endlich Oli besuchen. Er war aus dem Isolierzimmer, in dem er sich wegen der Infektionsgefahr aufhalten hatte müssen, auf die normale Station verlegt worden.

 

Als ich das Zimmer betrat, lag ein unglaublich blasser Oli auf dem Bett.

"Lucas! Wie schön, dass du gekommen bist!", sagte er mit schwacher Stimme, grinste aber schon wieder. Beim Näherkommen sah ich, dass Oli wirklich sehr schlecht aussah. Richtig blutleer. Was ja in gewisser Weise auch so gewesen war, erst nach und nach würde die Produktion der roten Blutkörperchen wieder so gut laufen, dass er seine normale Gesichtsfarbe bekommen würde.

 

Außerdem hatte diese letzte, sehr starke Chemotherapie nochmal seine Haare komplett ausfallen lassen. Selbst die Brauen waren sehr dünn geworden.

"Wie fühlst du dich?", fragte ich ihn sofort.

"Sehr müde", bekannte er gleich.

"Aber sonst ist alles in Ordnung? Keine Abstoßungsreaktionen?", fragte ich etwas bang. Das Risiko einer Abstoßung war zwar nicht sehr hoch, aber trotzdem vorhanden.

"Nee, hier wird nichts abgestoßen", sagte er schleppend. "Alles meins! Und die Ärzte sind zufrieden, es scheint so, als würde es tatsächlich funktionieren".

"Klasse", konnte ich nur sagen. Erleichterung machte sich breit.

Dann setzten wir uns an den kleinen Tisch.

"Wie geht es dir? Ist alles gut verheilt?", fragte dann Oli mich.

"Ja, das ist alles wieder so, wie es sein muss", konnte ich ihm antworten.

"Das ist schön", sagte er.

"Und wann darfst du wieder nach Hause?", wollte ich wissen.

"Das kann man noch nicht genau sagen. Vielleicht in einer Woche", antwortete Oli.

Als ich dann wieder ging, nahm er mich zum ersten Mal in den Arm.

"Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin", sagte Oli. "Du hast mir das Leben gerettet!".

"Ja", gab ich trocken zurück, "was aber nicht heißt, dass ich dich jetzt leiden kann"

"Nee, klar!", gab Oli zurück, "Ich dich auch nicht! Nicht das du das denkst!". Ich musste mich umdrehen, damit er nicht sah, dass ich breit grinste. Und deshalb entging auch mir sein breites Grinsen.

Bei meinem nächsten Besuch fünf Tage später stand er am Fenster, als ich das Zimmer betrat.

"Hey!", grüßte er mich schon wieder kraftvoller, als er mich bemerkte. Er sah nicht mehr ganz so blass und blutleer aus wie noch vor fünf Tagen.

"Alles in Ordnung?", fragte ich ihn.

"Alles in Ordnung", bestätigte er. "Die Ärzte sind weiterhin zufrieden. Scheinbar bilden deine Stammzellen schon wunderbare Blutkörperchen bei mir"

"Das sind jetzt nicht mehr meine Stammzellen", widersprach ich. "Es sind deine. DU bildest die Blutkörperchen".

"Na gut, wenn du meinst", gab er sich geschlagen.

Wir sprachen gerade davon, was für ein unglaubliches Glück es war, dass er mich noch rechtzeitig gefunden hatte, als die Tür aufging und eine Schwester das Zimmer betrat.

"Herr Talin, ich muss sie untersuchen. Ihr Besuch muss solange draußen warten", sagte die Schwester.

"Bin schon weg", sagte ich und ging hinaus.

Als die Schwester fertig war und ich wieder zu Oli konnte, lag er auf dem Bett.

"Was hat die jetzt untersucht?", wollte ich wissen.

"Ach, das Übliche. Blutdruck, Fieber... so etwas eben", sagte Oli lapidar.

"Und? Alles im grünen Bereich?", hakte ich schon wieder nach.

"Ja, alle hier sind zufrieden. Ich darf wahrscheinlich in drei Tagen nach Hause", sagte er.

"Das ist ja wunderbar!", freute ich mich, "Zuhause ist es doch noch besser als hier. Ich war ja nur zwei Tage hier, und war schon froh, als ich endlich wieder in meinem eigenen Bett schlafen konnte"

"Ja, ich freue mich auch", gab er zu.

"Ich fahre dann mal wieder. Mein nächster Besuch wird dann vermutlich bei dir zu Hause stattfinden, denn ich habe die nächsten beiden Tage ziemlichen Unistress. Weihnachten steht ja auch vor der Tür"

"Kein Problem. Ich freue mich über deinen Besuch, egal, wo ich bin".

"Was aber immer noch nicht heißt, dass ich dich leiden kann", warf ich ein.

"Ich dich auch nicht. Ich meinte ja nur", gab er zurück. Und diesmal grinsten wir uns gegenseitig an.

 

Es war so unglaublich, aber ich hatte tatsächlich einen Bruder bekommen.

Nach den Feiertagen fand ich dann endlich den Mut, diese wichtige Sache mit meinen Mitbewohnerinnen zu besprechen. Wochen waren vergangen, in denen sie gehofft hatten, dabei wusste ich es eigentlich schon lange, was ich ihnen sagen wollte.

 

Und sie erwarteten nach ihrem Besuch bei Madame Selena ja, dass sie bald Eltern werden würden, und ich musste ihnen einfach sagen, dass sie mit mir nicht rechnen konnten.

"Marita, Susan", begann ist stockend, "ihr wartet immer noch auf eine Antwort von mir. Und ich habe euch so lange warten lassen"

"Du hast die Zeit zum Überlegen gebraucht. Außerdem sind ja auch ein paar Dinge passiert, und du hattest sicher nicht immer den Kopf dazu, dir um unsere Sache Gedanken zu machen. Denke nur mal an deinen Bruder!", sagte Marita.

"Ja, das ist richtig", gab ich zu. "Aber ich habe mir in den letzten Tagen nun viel Gedanken darüber gemacht". Ich machte eine Pause und die Mädels sahen mich erwartungsvoll an. Ich schluckte, denn ich wusste, dass ich sie nun enttäuschen würde, und das wollte ich ja eigentlich nicht. Doch es ging nicht anders.

"Ich...", stotterte ich los, "ich muss euch absagen. Ich kann das nicht. Es liegt nicht an euch, ich bezweifel keine Sekunde, dass ihr gute Mütter wärt. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass da ein Kind geboren werden würde, dass genetisch meines wäre und ich aber nicht als der Vater des Kindes zählen würde. Das klingt jetzt sicher sehr altmodisch für euch, aber mir ist dieser Gedanke so unerträglich, dass ich mich nicht zur Verfügung stellen kann". Es wurde ganz still im Raum, keiner von uns aß weiter.

Susan unterbrach dann nach gefühlten Stunden diese Stille.

"Wir müssen deine Entscheidung akzeptieren, auch wenn wir uns das anders erhofft hatten", sagte sie leise.

"Ich weiß", krächzte ich, denn sie sah so traurig aus, während sie das gesagt hatte, dass es mir schier die Kehle zuschnürte. Ich mochte diese beiden Frauen sehr und wünschte ihnen nur das Beste. Nur in dieser Sache konnte ich ihnen einfach nicht helfen. "Ich wünschte, dass ich euch hätte helfen können. Aber es geht nicht, ich kann das einfach nicht".

"Wir haben das schon manches mal befürchtet, dass du dich so entscheiden würdest. Einfach, weil du solange überlegen musstest. Hättest du keine Einwände gehabt, hättest du auch nicht soviel Zeit zum Überlegen gebraucht", folgerte Marita richtig. 

"Es tut mir wirklich leid, und ich wünsche euch, dass ihr wirklich bald jemanden findet, der das für euch macht", sagte ich ehrlich aufrichtig zu ihnen.

"Ja, einen kleinen Plan B haben wir vielleicht sogar schon in petto, mal sehen. Wie gesagt, wir befürchteten schon, dass du dich so entscheiden würdest. Dabei hätten wir deine guten Gene wirklich gern gehabt".

"Ihr werdet bestimmt noch bessere finden", sagte ich bescheiden. Und Susan lächelte daraufhin sogar etwas.

"Ja, ganz bestimmt", sagte sie, und ich hörte den Sarkasmus gut daraus heraus.

 

Ich lenkte dann das Thema auf was anderes, indem ich Marita fragte, wie weit die Arbeiten in ihrer Filiale waren. Mein letzter Stand war, dass der beseitigte Schimmel nicht zurückgekommen war und nun mit Nachdruck die letzten Arbeiten vor der Eröffnung stattfanden. Da die Mädels wohl selbst froh über den Themenwechsel waren, kam schon bald ein Gespräch über unsere Berufe zustande. Marita erzählte von ihrer Filiale, Susan von ihrer aktuellen Reportage und ich gab ein paar meiner Erlebnisse aus der Uni zum Besten.

Es war Anfang Mai, als Johanna alle ihre Prüfungen erfolgreich hinter sich gebracht hatte und mit der Uni fertig war.

 

Aus diesem Grund gab sie eine Party, zu der ich ebenfalls eingeladen war. Zusammen mit Mark ging ich also an einem wunderbaren Freitag zu ihr.

"Noch mal herzlichen Glückwunsch!", sagte ich zu ihr, als sie mich begrüßte. Natürlich hatte ich ihr schon gratuliert, als sie mir gesagt hatte, dass sie bestanden hatte. Doch heute war das ja sozusagen noch mal Pflichtprogramm.

"Dankeschön!", lachte sie befreit. Was auch kein Wunder war, immerhin war sie nun mit der Uni fertig, während ich noch an meinem zweiten Semester rumschusterte.

Während Mark sie ebenfalls begrüßte, konnte ich kaum den Blick von ihr lassen. Irgendetwas zog mich einfach magisch zu ihr. Dabei stand hier ja auch Mark, dieser Trottel, aus dem ich nicht schlau wurde. Er schenkte Johanna einfach nicht die Aufmerksamkeit, die ihr gebührte. Wie eben in diesem Moment auch. Wieder sah er sich um, anstatt mit ihr zu reden. Und sah er denn nicht, wie hübsch sie aussah? Wie konnte er das nur ignorieren?

Also redete ich dann mit ihr.

"Das Wetter hast du dir ja perfekt für deine Party bestellt", spielte ich auf den unglaublich warmen Tag an.

"Was auch nicht gerade einfach war!", lächelte sie. "Die Bürokratie dort oben ist noch mal um einiges schlimmer als bei uns hier"

"Aber du hast es ja doch noch geschafft", plänkelte ich weiter.

"Natürlich! Was tut man nicht alles für seine Gäste!", sagte sie.

"Ich bin dir zu höchstem Dank verpflichtet!", scherzte ich weiter und verbeugte mich sogar leicht. Mark war in der Zwischenzeit schon nach draußen gegangen.

"Falls du Hunger mitgebracht hast, kannst du dich im Garten bedienen", sagte sie dann.

"Alles klar. Dann gehe ich mal hinaus", meinte ich und ging dann wirklich nach draußen.

Weil Johanna mit Amber befreundet war, war auch sie heute gekommen. Und natürlich hatte sie Benny dabei. Die beiden waren immer noch so glücklich wie am ersten Tag und hingen wann es ging aneinander.

Und draußen war schon reger Andrang am Buffet. Nur von Mark war weit und breit nichts zu sehen. Wo steckte denn der?

Ich nahm mir etwas zu essen und setzte mich an den Tisch, wo ich dann auch schon bald mit den anderen Gästen ins Gespräch kam.

Nur kurze Zeit später setzte sich Johanna neben mich, und mein Magen begann zu flattern.

 

Gar nicht gut! Ganz und gar nicht gut, was hier passierte!

Ich zwang mich, mich mit den anderen zu beschäftigen. Getanzt wurde schon wie verrückt, also stand ich auf, um mitzumachen.

Doch Johanna kam mir nach und fragte mich, ob ich mit ihr tanzen würde. Und ich konnte doch der Gastgeberin keinen Korb geben! Oder?

Also tanzten wir. Und auch wenn sich mein schlechtes Gewissen regte, ich genoss es trotzdem, mit ihr hier gemeinsam zu tanzen. Mark war ja eh nicht zu sehen. Wo steckte er nur? Hatte er sich nach drinnen verzogen?

Natürlich flirteten die beiden auch draußen weiter. Ein echtes Traumpärchen eben!

Ja, ein echtes Traumpärchen...

 

Mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass das auch Mark und Johanna wären. Die beiden waren so wunderbar - auch wenn mich Mark im Moment etwas aufregte -, dass sie einfach toll zusammenpassen würden. Sie waren beide lieb und immer für einen da, wenn man sie brauchte.

 

Ich war an einem Punkt, an dem ich schleunigst die Handbremse ziehen musste. Und ich würde morgen mit Mark reden, keinen Tag länger würde ich diesen Stress mitmachen.

 

Ich hörte also auf zu tanzen und sagte zu Johanna, dass es mir schlecht geworden war und ich nach Hause sollte.

"Oh", machte sie. War sie etwa... enttäuscht? Ich verscheuchte den Gedanken und fuhr fort:

"Tut mir leid. Aber es ist besser so", sagte ich, und sie konnte die Zweideutigkeit meiner Worte natürlich nicht verstehen.

"Sehr schade! Kann ich etwas für dich tun? Ich habe hier bestimmt irgendwelche Tropfen gegen Übelkeit oder Tee...", versuchte Johanna, mich zum Bleiben zu überreden.

"Das ist lieb von dir", sagte ich gepresst. "Aber ich möchte mich einfach in mein Bett legen und schlafen". Ja, Decke über die Ohren ziehen und mit sich und der Welt hadern. Das würde ich nachher sicher machen. Johanna sah mich so lieb an, dass es mich schier zerriss. Dann sagte sie:

"Ich wünsche dir eine gute Besserung, ja?"

"Danke! Und du feierst noch schön!", sagte ich, bevor ich dann tatsächlich Johannas Party verließ.

Am nächsten Tag machte ich mich dann wirklich auf, um mit Mark zu reden. So ging das nicht mehr! Wochen-, ja, monatelang dieses hin und her! Ich nahm Rücksicht wo ich konnte, ich wollte kuppeln, ich hielt mich zurück. Und für was? Für das, dass er sich nicht einmal auf Johannas Party mit ihr unterhalten konnte? Jetzt war Schluss!

Als er mir öffnete, sah er noch etwas verschlafen aus.

"Sag` mal, hast du noch gepennt?", fragte ich gereizt.

"Das darf man an einem Samstag morgen um halb acht!", schoss mir Mark entgegen.

"Spät geworden auf der Party?", fragte ich, während ich das Haus betrat.

"Hm", nuschelte Mark.

"Hm? Was soll das bedeuten? Ist es denn nun spät geworden oder nicht?", hakte ich nach.

"Nicht so sehr. Ich glaube, ich bin kurz nach dir gegangen", sagte er mir.

"Kurz nach mir? Ja, bist du denn bekloppt? Da gehe ich extra für dich noch vor neun nach Hause, und du hast nichts besseres zu tun, als dann ebenfalls von der Party zu verschwinden?". Ich fasste es nicht!

"Was soll das heißen, dass du extra nach Hause gegangen bist? Johanna hat gesagt, dass dir schlecht geworden ist und du deshalb gegangen bist!"

"Ja, jetzt habe ich Johanna schon für dich angelogen!", spie ich ihm entgegen.

"Wie, für mich?".

"Meine Güte, bist du denn noch nicht richtig wach, oder was? Ich habe dir freie Bahn gelassen!", sagte ich.

"Du hast mir also mal wieder... Lucas, ich glaube, ich muss mal klarstellen, dass du mich nicht mit Johanna verkuppeln musst, klar? Aber das habe ich, soweit ich mich erinnern kann, auch schon einmal gesagt"

"Tausend mal hast du mir das gesagt! Und jetzt möchte ich endlich wissen, wieso. Liebst du Johanna oder nicht?", fragte ich direkt. Ich war so geladen, dass ich nun keine Zeit verschwenden wollte.

"Nein, das tu` ich nicht", gab er mir dann gleich zur Antwort. Das haute mich dann doch etwas von den Socken.

"Tust du nicht?", fragte ich nach. Man konnte ja nie wissen.

"Tue ich nicht", bestätigte er. "Auch wenn du Blödkopf das einfach nicht kapieren willst"

"Selber Blödkopf!", schleuderte ich ihm entgegen. "Deine Signale waren da aber ganz anders! Immer hast du sie angegrinst, als wir sie gesehen haben! Diesen verklärten Blick bekommen! Wie damals im Black Sky. Wie ein verliebter Gockel hast du sie angesehen!"

"Habe ich nicht!", widersprach er mir. "Das hast du nur so gesehen! Ja, ich freue mich jedesmal, wenn ich sie sehe. Und ich war auch mal in sie verknallt, aber das ist schon lange her. Und deshalb hast du das einfach falsch interpretiert". Was hatte er gesagt?

"Du warst schon mal in sie verknallt? Wann?", wollte ich wissen.

"Oh, wir waren in der 13. Klasse". Auf dem Gymi also.

"Und warum weiß ich nichts davon?"

"Hätte es dich denn interessiert? Du hast Johanna zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht beachtet, geschweige denn gekannt".

"Das stimmt doch nicht!", widersprach ich. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, dass es mal eine Zeit gegeben hatte, in der ich sie nicht gekannt hatte.

"Aber sicher! Wenn du das noch weißt, dann beschreibe mir doch mal, wie sie damals ausgesehen hat!". Mein Hirn ratterte und versuchte, sich zu erinnern.

"Na?", bohrte Mark.

"Ich weiß es nicht", musste ich kleinlaut zugeben.

"Ja, das weißt du nicht. Das ist mir so klar. Du hast sie ignoriert, obwohl sie dich angehimmelt hat".

"Hat sie nicht!", schoss ich sofort entgegen, obwohl mich Marks Worte verwirrten. Johanna hatte mich in der Schule angehimmelt?

"Lucas, es wird, denke ich, mal Zeit, dass du alles erfährst. Du hast ja wirklich keine Ahnung, was damals auf dem Gymnasium los war". Ich konnte nichts darauf sagen. Ich war aufgeregt, denn Mark wusste wohl mehr als ich, und ich war gespannt, was das war. Als er merkte, dass ich nichts sagen würde, begann er zu erzählen:

"Dass du ein begehrter Schüler warst, muss ich dir nicht sagen, oder? Du wurdest ja manchmal regelrecht von den Mädels belagert. Was du nicht weißt, ist, dass viele der Mädchen, die in dich verliebt waren, und denen du nicht deine geschätzte Aufmerksamkeit geschenkt hast, zu mir gekommen sind. Ich als dein bester Freund war immer dazu gut, irgendwelche Fragen zu beantworten. >Mark, du bist doch der beste Freund von Lucas. Kannst du mir seine Telefonnummer geben?<, >Mark, du als Lucas` Freund weißt doch sicher, wo ich ihn mal nach der Schule sehen kann!<, >Mark, meine Freundin ist in Lucas Schiller verliebt. Du als bester Freund kannst da doch bestimmt vermitteln!<. Gott, wie ich es irgendwann mal satt hatte! Diese ganzen Mädchen, die dir hinterhergerannt sind! Und wie weh das getan hat, wenn es ein Mädchen war, auf das man selbst ein Auge geworfen hatte..."

"Ich habe dir nie ein Mädchen ausgespannt!", warf ich sofort ein.

"Nein, hast du nicht. Aber dass es weh getan hat, wenn Hoffnungen zerstört worden waren, kannst du dir doch wohl denken!"

"Ja, entschuldige bitte", sagte ich und wartete darauf, dass er weitersprach.

"Irgendwann war es dann also auch Johanna Keppler, die mich in einer kleinen Pause vor dem Klassenzimmer abgefangen hatte. Sie fiel jedoch nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern fragte mich, ob ich mit ihr nach der Schule mit ins Frank`s gehen würde. Sie wolle etwas mit mir besprechen. Ich habe mich gefreut, und ihr zugesagt. Doch dort ist dann auch sie damit herausgerückt, dass, und ich muss heute regelrecht lachen, wenn ich daran denke, sie dich nett finden würde. Und ob ich Tipps für sie hätte, wie sie dich auf sie aufmerksam machen könne. Es war so niedlich. Sie war sehr schüchtern, deshalb hat sie auch den Umweg über mich genommen, und schon das war viel für sie. Und wie sie da vor mir saß, habe ich ihr zugesichert, dich auf sie aufmerksam zu machen. Aber weißt du was? Ich habe es tatsächlich versucht, habe sie dir gezeigt und dich gefragt, wie du sie findest, und du hast sie gar nicht richtig angesehen. Klar, ein Mädchen mit Brille und Zahnspange war für dich schon ein Grund, gar nicht richtig hinzuschauen". Mark sah mich wütend an, und mir kippte das Kinn nach unten. Und dann erinnerte ich mich plötzlich wieder, wie Johanna damals ausgesehen hatte:

Sie war extrem still gewesen und war oft in der Pause irgendwo mit einem Buch gesessen. Dazu die Brille und eine Zahnspange, die Haare kinnlang - auch wenn es sich sehr oberflächlich anhörte, sie war mir tatsächlich nicht aufgefallen. Dazu hatte ich immer zuviel "Auswahl" gehabt und konnte mir die Mädchen aussuchen, mit denen ich die Beziehung oberflächlich halten konnte. Und das war mir wichtig gewesen: Keine tiefen Gefühle! Denn wo keine tiefen Gefühle waren, da war auch keine Chance vorhanden, beim Verlust der Partnerin einfach zu zerbrechen...

"Ich erinnere mich an sie", stammelte ich.

"Gut so! Dann weißt du ja auch, warum sie bei dir keine Chance hatte!"

"Und du solltest inzwischen wissen, weshalb ich damals so gehandelt habe!", stieß ich ihm entgegen. Mark war kurz still und dachte nach.

"Ja, das weiß ich inzwischen, Lucas. Damals habe ich diese Zusammenhänge aber noch nicht sehen können. Wir waren in der 11. Klasse, als Johanna den Kontakt zu mir hergestellt hat". In der 11. Klasse... da war ich 17, und sie 16 gewesen.

"Du hast gesagt, dass sie da den Kontakt gesucht hat, weil sie mich nett fand. Wie..."

"Lucas!", unterbrach mich Mark, "Sie war total in dich verschossen! Sie hat das doch nur so zu mir gesagt, anfangs. Später dann wurde es jedoch klar, dass sie in dich verknallt war!". Offenbar hatten die beiden öfter über mich gesprochen.

"Dann habt ihr euch noch öfter getroffen?", fragte ich.

"Oja", lachte Mark. "Sehr oft. Deshalb habe ich mich da auch irgendwann in sie verliebt. Aber ich hatte gegen dich einfach keine Chance. Sie war sehr fair und hat mir das auch gesagt, als sie gemerkt hat, was mit mir los war. Und wieder war da ein Dämpfer für mich, verstehst du?"

"Mark, ich verstehe das, aber ich kann doch nichts dafür!", sagte ich zu ihm. Er seufzte auf.

"Ich weiß. Und doch hat sich da Groll in mir aufgestaut. Das habe ich dann gemerkt, als wir an dem Abend im Doc Browns waren, an dem wir die Wette ausgemacht haben. Du hast ja gar nicht bemerkt gehabt, dass Johanna ein halbes Jahr in England studiert hat, nicht wahr? Klar. An dem Abend habe ich sie seit Monaten mal wieder gesehen und mich so gefreut, sie zu sehen. Aber was denkst du, wem ihre ersten Fragen galten?". Mir zog es schon fast den Boden unter den Füßen weg, weil ich ahnte, was Mark sagen würde.

"Mark, du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass Johanna auch da noch in mich verliebt war, oder?". Nun sah er mich scharf an.

"Johanna liebt dich, seit sie 16 Jahre alt ist"

 

Und schwupp, schon war der Boden unter meinen Füßen weg.

Es dauerte einige Sekunden, bis ich meine Sprache wiedergefunden hatte.

"Das kann doch nicht sein...", stammelte ich dann.

"Oh, doch!", versicherte mir Mark. "Und sie hat es weiß Gott versucht, das zu ändern! Zwei Beziehungen, die sie hatte, scheiterten letztlich daran, dass sie dich mehr liebte als ihre Freunde. Das halbe Jahr in England hat nichts an ihren Gefühlen geändert. Du hast wirklich keine Ahnung, wie sehr sie dich liebt". Ich konnte kaum mehr richtig atmen, so perplex war ich.

 

In dieses Gedankenchaos hinein passierte allerdings auch noch etwas anderes.

 

Eine innere, sehr alte Mauer, die ich mir irgendwann aufgebaut hatte, begann zu bröckeln. Ich spürte es daran, dass ein Gedanke immer größer wurde, Platz in meinem Körper einnahm, immer mehr, immer gewaltiger. Dieser Gedanke beschleunigte meinen Herzschlag und machte meine Hände ganz feucht.

Notenbild ist verlinkt und führt zu einem Video.

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Dieser Gedanke verwandelte sich in ein Gefühl. Einem Gefühl, dass seither gut verschlossen hinter dieser Mauer weggesperrt war, und jetzt, da die Mauer bröckelte, endlich an die Freiheit konnte.

 

Mein Herz klopfte nun so schnell, dass ich schneller atmen musste, damit ich noch genügend Sauerstoff in meinen Körper pumpen konnte.

"Mark", sagte ich dann irgendwann.

"Ja?"

"Ich stelle dir jetzt eine Frage, die du mir bitte klar und deutlich mit Ja oder Nein beantwortest. Okay?"

"Okay", sagte Mark und wartete gespannt darauf, was ich nun sagen würde. Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich dann sagte:

"Hättest du ein Problem mit Johanna und mir?".

Er sah mich so ungläubig an, wie ich ihn noch selten gesehen habe.

"Bitte?", fragte er dann.

"Hättest du ein Problem mit Johanna und mir?", wiederholte ich die Frage.

"Was, wenn ich eines hätte?", stellte er mich zur Probe. Wollte er etwa wissen, wie tief meine Gefühle für Johanna waren?

"Dann würde ich dich so lange bearbeiten, bis du kein Problem mehr damit hättest", sagte ich ernst. Dann zogen sich langsam seine Mundwinkel nach oben.

"Ist es etwa das, was ich gerade denke?", fragte er dann.

"Ich weiß ja nicht, was in deinem Schädel vor sich geht, aber falls du wissen möchtest, ob ich Johanna liebe: Ja, das tue ich. Gut so?". Ich hatte ihn mit meinem Geständnis tatsächlich kurz sprachlos gemacht, und ich selbst war über meine Worte erstaunt. Sie waren aus meinem Mund gekommen, ohne dass ich lange hatte überlegen müssen. Allerdings ahnte ich, dass dieses Gefühl für Johanna schon so lange in mir war, bisher allerdings gut verschlossen hinter dieser Mauer weilte. Und jetzt musste es einfach raus!

"Bestens", antwortete Mark breit grinsend. "Aber sag`s nicht mir, sondern ihr. Sie wartet schon so lange darauf" 

"Würde ich ja. Allerdings hält mich mein sogenannter bester Freund hier auf, weil er mir eine Antwort schuldig bleibt. Also, was ist nun?", bohrte ich leicht gehetzt. Ich hatte das dringende Bedürfniss, zu Johanna zu gehen. Ich wollte ihr nahe sein.

"Ich habe kein Problem damit", sagte er dann, und ich jubilierte innerlich. "Aber wenn du sie unglücklich machst, Blödkopf, dann bekommst du gewaltigen Ärger mit mir. Haben wir uns verstanden?"

"Aber sicher doch", sagte ich und drehte mich um, um zur Tür zu gehen. Beim Gehen rief ich Mark noch zu:

"Wünsche mir Glück!"

"Pft!", machte Mark, "Du brauchst kein Glück! Die Frau ist besessen von dir!"

 

Damit rannte ich aus Marks Haustür und ging sofort in Richtung Johanna davon.

 

 

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19.03.19 Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich die Seite nun fit für die DSGVO gemacht, alles ist online und ihr könnt hier wieder die Abenteuer meiner Schillers lesen!

 

Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

 

 

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