Aufgabe 2: Dick und Rund... na und?

oder: Es geht mir gut!

Marlene war erst spät in der Nacht nach Hause gekommen, und obwohl der Schnee im Laufe der Nacht und jetzt am Morgen fast komplett geschmolzen war, war es immer noch sehr kalt. Gegen morgen hatte sie begonnen, zu husten. Klar, dass sie sich erkältet hatte, warum stiefelte sie auch mit kurzen Ärmeln im Winter herum!

Ich ließ sie erstmal schlafen, denn das tat ihr jetzt sicher am besten gut. Bei ihrem Job meldete ich sie krank, nachdem ich ihre Stirn gefühlt hatte und die mir recht warm vorgekommen war. Wecken wollte ich sie jedoch noch nicht.

 

Weil ich nicht wusste, ob es bei ihr schlimmer werden würde, nahm ich mir einen freien Tag, um sie nicht alleine zu lassen.

 

Ob da mein schlechtes Gewissen ebenfalls eine Rolle spielte? Schließlich war ich nicht ganz unschuldig, dass sie krank geworden war. Aber warum hatte sie nur mit diesem Thema angefangen. Warum wollte sie sich so fest binden? Ich verstand es einfach nicht. Und ich fragte mich natürlich, wie es nun weitergehen würde.

 

Doch zuerst musste sie wieder auf die Beine kommen.

Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter mir immer irgendwelche Suppen gemacht hatte, wenn ich krank geworden war. Also machte ich das auch. Gut, ich nahm eine Suppe aus der Dose und meine Mutter hatte sie frisch gekocht, doch es war doch besser als nichts, oder?

 

Der Geschmack war dann allerdings nicht überragend, das musste ich zugeben. Vielleicht sollte ich meine Mutter doch einmal fragen, wie sie soetwas machte. Wenigstens eine Suppe sollte ich doch selbst zubereiten können, oder?

Ich ging zu Marlene, um sie sachte zu wecken. Sie sollte ein wenig von der Suppe essen, damit sie wieder zu Kräften kam.

"Marlene?", weckte ich sie. Sie nuschelte nur etwas unverständlich vor sich hin. "Marlene, du solltest etwas essen", fügte ich hinzu.

"Geh`weg!", sagte sie matt, aber deutlich. Das hatte ich so noch nicht oft von einer Frau zu hören bekommen.

"Du solltest aber etwas essen. Oder ist dir auch übel?", wollte ich wissen. Sie hustete erneut ziemlich heftig. "Vielleicht sollte ich dich auch zum Arzt bringen", überlegte ich laut.

"Du ganz bestimmt nicht", krächzte sie sauer. "Und wegen einer kleinen Erkältung renne ich sicher nicht gleich zum Arzt", fügte sie hinzu, um sofort wieder zu husten.

"Kleine Erkältung", sagte ich ironisch. "Von wegen. Hast du denn keinen Hunger?"

"Selbst wenn, würde ich dir das jetzt nicht auf die Nase binden", meinte sie und ich seufzte auf.

"Gut, du kannst es dir ja überlegen, ich habe eine Tomatensuppe gekocht. Ich belästige dich jetzt erstmal nicht mehr, wenn du etwas brauchst, kannst du ja rufen", sagte ich.

Also ging ich tatsächlich weg von dem Bett, um mich einen Meter weiter auf die Couch zu setzen. Der Raum war schon winzig, das musste man zugeben. Für zwei Personen auf jeden Fall viel zu klein.

 

Aber ich hörte nun endlich die Bettdecke rascheln. Marlene stand auf.

Ohne mich eines Blickes zu würdigen aß sie dann die Suppe.

 

Na, wenigstens etwas. Doch wenn ich gehofft hatte, dass wir über diesen dummen Zwischenfall nun reden konnten, hatte ich mich getäuscht. Marlene legte sich nach der Mahlzeit wieder erschöpft in unser einziges Bett.

 

Gut, sie war krank, also musste diese Aussprache verschoben werden. So hatte ich noch eine Galgenfrist, denn ich wusste eigentlich gar nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht würde sich ja was ergeben.

 

Doch sie war wohl so sauer, dass sie mich auch in den nächsten Tagen schnitt, auch dann, als es ihr schon wieder deutlich besser ging. Die Stimmung bei uns war also alles andere als gut. Und nun war auch schon der Tag angebrochen, wo Mark seinen Kontrollbesuch abstattete.

Meine Gedanken waren trüb wie der Himmel, als Mark vor unserer Tür stand, keine 15 Minuten nachdem Marlene zu ihrer Schicht in der Tankstelle aufgebrochen war. Wenn das nicht gut organisiert war!

 

"Hey, Schwerenöter!", begrüßte mich Mark grinsend.

"Hey", grüßte ich weit weniger euphorisch zurück.

Wir gingen in die Hütte, deren grüne Fassadenfarbe mich bereits bis in meine Alpträume verfolgte, und Mark sah sich sofort um.

„Hm, sieht ja ganz gut aus hier“, sagte er, nachdem er den Blick durch den winzigen Raum streifen lassen hatte.

„Was hast du denn gedacht?“, fragte ich ihn.

„Na komm, du musst zugeben, dass du bisher nicht gerade großen Arbeitseifer an den Tag gelegt hattest. Weder was Hausarbeit noch der Beruf angeht. Das ich da denke, dass du das Haus im Chaos versinken lässt, ist ja wohl kein Wunder, oder? Das Bett hättest du aber schon machen können!“, sagte er mit Blick auf die Bettdecke, die noch reichlich zerknüllt über dem Laken lag, weil Marlene vor ihrer Schicht noch ein wenig geschlafen hatte. Das machte sie immer so, um fit für die Nacht in der Tankstelle zu sein. Aber das wusste Mark ja nicht und das durfte er natürlich auch nicht wissen.

"Klar, jetzt sagst du bestimmt gleich, dass ich die Wette verloren habe, nur weil das Bett nicht gemacht ist, oder was?", fragte ich übellaunig. Ich sah es kommen!

"Nee, das nicht", sagte Mark großmütig. "Hast hier bestimmt schon die ein oder andere Frau vernascht, oder?", fügte er dann hinzu, ohne seinen Blick vom Bett zu wenden. Ich grübelte, ob es Bestandteil unserer Wette war, dass ich ohne Damenbesuch bleiben musste, konnte mich aber an keine derlei Klausel erinnern, also konnte ich beruhigt sagen:

"Ein Gentleman genießt und schweigt".

"Du und Gentleman!", lachte Mark auf. "Aber pass auf: Wenn du hier ständig Frauen hast, die vor lauter Dankbarkeit, dass sie von Lucas Schiller flachgelegt wurden, hier anfangen zu putzen, hättest du ein Problem". Nun sah er mich gespannt an. Doch ich konnte nur eines sagen:

"Idiot! Jetzt setz`dich an den Tisch, ich habe Käsetoasts gemacht"

"Echt Lucas! Ich hätte dir ja nie zugetraut, ein richtiges Essen zaubern zu können!", sagte Mark, als er mit seinem Teller an den Tisch kam. Hielt der mich für blöd?

"Na danke", sagte ich deshalb nur und biss herzhaft in das Essen. Was war schon schwer an Käsetoasts? Also das konnte er mir ja wohl zutrauen!

"Oder war deine Mutter vorhin noch hier, um hier klar Schiff zu machen, bevor ich gekommen bin?", fragte Mark weiter.

"Also echt!", entrüstete ich mich und schüttelte verstimmt meinen Kopf, "Jetzt hör` doch mal mit dem Mist auf! Meine Mutter lässt sich nicht sehr gern in ihren Haushalt reinpfuschen, aber das heißt nicht, dass ich es nicht könnte“, sagte ich. Und da es Marlene in den letzten Tagen ja nicht gut ging, hatte ich hier tatsächlich mehr Hand angelegt als in den Tagen davor.

„Aber du bist sicher froh, wenn du wieder nach Hause in das warme Nestchen bei Muttern gehen kannst, was?“, fragte Mark und so langsam kochte es in mir drin. Das war einfach ungeheuerlich. Ich war 23 Jahre alt und kein kleines Kind mehr. Ich wohnte jetzt vier Wochen in dieser Hütte und konnte mich selbst versorgen. Ich verdiente Geld, ich putzte und hämmerte. Was brauchte er denn noch für einen Beweis?

„Du irrst dich“, sagte ich deshalb gedankenlos. „Ich könnte locker hier wohnen bleiben, kein Problem. Ist doch ein nettes Häuschen, nicht wahr?“. So, jetzt sah er mich aber an!

"Du würdest hier wohnen bleiben?", fragte Mark zwischen zwei Bissen.

"Warum nicht?", fragte ich herausfordernd. Sollte er doch denken, dass es mir hier super ging!

"Du, das trifft sich gut", fuhr er dann fort, "denn meine Eltern überlegen zur Zeit, ob sie das Haus verkaufen sollen. Wenn du möchtest, frage ich mal nach"

Eine imaginäre Eisenfaust rammte sich mir in den Magen. Was hatte ich getan?

„Äh... deine Eltern wollen verkaufen?“, fragte ich nach. Ich hatte mich doch sicher verhört. Mark hatte bestimmt gesagt, dass seine Eltern vergrößern wollen oder so.

„Genau. Es wird ja kaum benutzt, aber es kostet ja trotzdem Grundsteuer und sonstige Unterhaltskosten. Es rechnet sich für sie nicht mehr. Aber wenn du es möchtest, wäre es in bekannter Hand, also noch ein Vorteil. Soll ich mal mit meinen Eltern reden?“. Mir fiel fast der Toast aus der Hand, so geschockt war ich. Wieso, in Gottes Namen, konnte ich nicht einfach mal die Klappe halten? Mark sah mich nun abwartend an. Ich konnte ihm nichtmal Boshaftigkeit unterstellen, denn er glaubte ja, dass ich tatsächlich Interesse an diesem Loch hatte.

"Lucas?", hakte Mark nach. Ja, verdammt, ich überlegte doch schon die ganze Zeit! Und zwar nach einer Ausrede, wie ich aus diesem Schlamassel wieder rauskommen sollte, ohne erneut mein Gesicht zu verlieren.

„Weißt du", begann ich dann, "es ist sehr nett von dir, dass du ein gutes Wort für mich einlegen würdest. Aber um ehrlich zu sein, kann ich es mir wohl nicht leisten, ein eigenes Haus zu kaufen. Mag es auch ein kleines sein", sagte ich meine Worte mit viel bedacht. 

„Ach, du bist doch mein Freund, da machen sie sicher einen guten Preis. Ich rede mal mit ihnen, dann sehen wir weiter, ja?“. Unglück, nimm` deinen Lauf! Doch ich bewahrte Haltung.

„Ja, in Ordnung“, sagte ich.

Als Mark dann gegangen war, stand ich geschockt an der Tür.

 

Das durfte doch nicht wahr sein! 

 

Meine ganze Hoffnung lag nun also auf Marks Eltern, die hoffentlich einen viel zu hohen Preis verlangten.

 

Was sie nicht taten.

 

Ich mache es kurz: Der Preis war so in Ordnung, dass ich die Hütte fast bar bezahlen konnte. Marks Eltern waren froh, dass das Haus an einen Freund von ihrem Sohn verkauft wurde, dass sie alle Augen zudrückten, die sie auftreiben konnten. Ich hatte also überhaupt keine Argumente mehr, dieses Angebot auszuschlagen.

 

Ich wägte ab. Ich hatte mir wahrhaftig über ein eigenes Haus noch nie Gedanken gemacht, das kam jetzt schon sehr plötzlich. Was für Vorteile würde es bringen? Zum einen natürlich die neue Freiheit. Meine Mutter würde mich nicht mehr fragen können, wie spät es am Abend davor geworden war, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie es schlicht nicht mehr mitbekam, wann ich überhaupt wegging. Ich könnte mir auch beweisen, auf eigenen Beinen stehen zu können. So, wie in den letzten Wochen schon. Ich musste Marlene nicht auf die Strasse setzen, wenn die Wette vorbei war. So konnte ich mir auch ein weiteres, sehr peinliches Gespräch mit ihr ersparen, in dem es darum ging, ihr alles gestehen zu müssen. Außerdem hörte man ja auch immer, dass ein eigenes Haus eine gute Altersvorsorge war, oder? Negative Punkte gab es natürlich auch. Schon allein das Geld, dass für das Hexenhaus draufgehen würde, würde mir wohl weh tun. Außerdem bereitete es mir ein wenig Sorgen, dann wirklich auf mich gestellt zu sein. So mit allen Rechten und Pflichten.

 

Aber ich nahm diese Herausforderung an. Ich würde das schaffen!

Ich besuchte meine Mutter nur zwei Tage nach dem Gespräch mit Marks Eltern. Wir hatten in drei Wochen den Notartermin, ich brauchte meine Sparbücher und den Bausparvertrag, den ich vor einiger Zeit mal angelegt hatte, um die VWL dorthin überweisen zu lassen, die ich mit meinen Gelegenheitsjobs bekam. Viel Geld würde nicht zusammen kommen, aber für das Haus und die ersten, kleinen Renovierungsarbeiten würde es reichen. 

 

Außerdem sollte ich meiner Mutter gegenüber mal kurz erwähnen, dass ich gedachte, ganz auszuziehen. Na, wenn das mal nicht ein Gespräch war, auf das man sich freuen konnte!

Ich wurde von Mutter noch vor der Haustür in Empfang genommen.

"Junge, wie dünn du geworden bist!", begrüßte sie mich.

"Das meinst du nur!", gab ich zurück. Also, meine Hosen schlotterten noch nicht, soviel stand fest.

"Und blass siehst du aus! Sag` mal, kommst du denn in dem Haus gut zurecht? Soll ich mal rüberkommen und dir ein wenig zur Hand gehen?", fragte sie und schob mich in unser Haus.

"Nein, das brauchst du nicht, danke", antwortete ich auf dem Weg nach drinnen.

 

Mein Elternhaus.

 

Ich kam nach Hause. Diese Hexenhütte, die bald mein eigen sein würde, konnte diesen Status niemals erlangen. Schon allein der Geruch hier - ganz typisch. Ich hätte ihn unter tausenden erkannt. Mir war das davor nie so bewusst gewesen, erst jetzt, wo ich kurz vor dem endgültigen Auszug stand, war mir das klar.

Meine Mutter bestimmte, dass ich es mir ruhig im Wohnzimmer bequem machen konnte, solange sie in der Küche fertig kochte. Es duftete jetzt schon so gut, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief. Nicht, dass Marlene nicht kochen konnte, aber das Essen meiner Mutter war ich gewohnt. Es weckte genauso Erinnerungen wie das Haus.

 

Also setzte ich mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Endlich mal wieder mit scharfem Bild fernsehen!

Als mich meine Mutter zum Essen rief, duftete es schon absolut köstlich.

"Greif`zu, Lucas. Sonst fällst du mir noch um!", sagte Mutter, und ich nahm mir dann einen Teller der leckeren Käsenudeln, auch wenn ich sicher nicht kurz davor stand, dem Hungertod zum Opfer zu fallen.

Ich begann sofort zu Essen, was meine Mutter sichtlich freute. Okay, das war jetzt taktisch eher unklug gewesen, denn so wurde sie in ihrer Meinung doch nur bestärkt, ich könnte ausgehungert sein.

"Wie kommst du in dem Haus von Marks Eltern voran?", fragte mich dann Mutter. "Kannst du bald wieder nach Hause kommen?". Oje. Das war wohl mein Stichwort. Wie sagte man seiner Mutter, dass man auszog? Das hatte ich in der Schule wohl verpennt.

"Tja, Mama...", begann ich zögernd und hielt inne. Wie sie mich ansah... diesen Blick kannte ich zu gut.

 

Den hatte sie vor allem dann drauf, wenn sie mich um etwas bitten und nichts sagen wollte. Das hier sollte wohl heißen: Lucas, komm bitte bald zurück, ja? Ich seufzte auf.

"Mama, ich werde das Haus von Mark`s Eltern kaufen und nach einer Renovierung richtig dort einziehen", sagte ich dann doch. Irgendwann musste es ja raus.

„Was?“, hakte sie nach. 

"Ja, ich werde das Haus kaufen. Der Notartermin ist in drei Wochen", sagte ich und aß weiter, weil ich sie nicht mehr ansehen konnte. Ihre Augen waren vor Schreck riesig geworden.

„Bist du sicher, dass du das schaffen kannst? Wie willst du das Haus bezahlen? Die laufenden Kosten? Beim Putzen könnte ich dir ja helfen, aber zwei Haushalte schaffe ich sicher auch nicht mehr lange, ich bin abends jetzt schon immer ganz schön kaputt, wenn ich ins Bett gehe“, sagte sie dann. Hatte sie mir vorgeschlagen, bei mir zu putzen??? Ich sah vor meinem geistigen Auge Marlene gerade das Bad putzen, dann meine Mutter kommen und verkünden, dass sie nun mal richtig sauber machen wolle. Undenkbar!

„Ja, ich schaffe das“, sagte ich überzeugt. „Ich habe ja einen Job in der USP* und verdiene dort gutes Geld. Und sauber halten kann ich es auch“, sagte ich überzeugt, obwohl ich natürlich schon ein wenig Magenschmerzen hatte.

 

 

* Unabhängige Simspartei

„Bist du sicher? Du hörst dich nicht gerade überzeugt an“, sagte meine Mutter sofort. Ihre feinen Antennen hatten also meine leichte Unsicherheit bemerkt. Verdammt! Das hatte mich schon als Schüler genervt. Ich wollte überzeugend sagen, dass die Mathearbeit total gut gelaufen war, obwohl ich die Hälfte der Fragen nicht einmal beantwortet hatte, und sie gleich gefragt hatte: „Lucas, du bekommst schon eine ganz rote Nase vom Lügen. Also raus mit der Sprache: Wie war der Mathetest wirklich?“. Und das schien immer noch zu funktionieren, obwohl ich doch schwer hoffte, keine rote Nase mehr zu bekommen. Ich atmete laut aus.

„Doch, ich bin überzeugt“, sagte ich dann. „Mache dir bitte keine Sorgen!"

„Man kann ja mal nachfragen, oder?“, fragte meine Mutter nun leicht beleidigt. Auch das kannte ich schon.

"Du kannst mich natürlich besuchen kommen, wann du möchtest“, besänftigte ich sie. Und hoffte, dass sie anrufen würde, bevor sie kam, so dass ich immer noch Zeit hatte, die Bude auf Vordermann zu bringen. Nun lächelte sie wieder.

„Ich weiß zwar nicht, warum du das machen willst. Verstehen tue ich das nicht, warum wir zwei plötzlich in zwei verschiedenen Häusern wohnen müssen, wo wir die einzigen Mitglieder dieser Familie sind“, meinte sie. Ja, und das konnte ich ihr nicht einmal verdenken. "Aber", fügte sie hinzu, "wenn du das wirklich willst, kann ich dich nicht aufhalten. Außerdem habe ich so auch die Hoffnung, dass du in deinen eigenen vier Wänden bald eine Frau finden wirst, um mich dann zur Oma zu machen". Ich hätte mich fast verschluckt.

"Mama, ich bin doch erst 23", sagte ich leicht genervt.

"Damit bist du im besten Alter für ein Kind. Ich war bereits 35, als du auf die Welt gekommen bist. Und jetzt muss ich Angst haben, dass ich zu alt für meine Enkel sein werde", sagte sie.

"Das kann man doch gar nicht vergleichen", meinte ich und aß stur weiter. Ich hatte wirklich keine Lust, jetzt auf dieses Thema zu kommen.

"Warte damit nicht zu lange, ja? Ich werde auch nicht jünger, Lucas!". Klar! Warum suchte sie nicht schonmal eine geeignete Frau für mich aus?

Ich lenkte das Gespräch dann auf etwas ganz anderes, um von diesem Thema wegzukommen. Natürlich war die Stimmung trotzdem noch recht angespannt, und ich verabschiedete mich nur eine Stunde später wieder von Mutter.

 

Nicht bevor sie mir das Versprechen abgenommen hatte, sie oft besuchen zu kommen. Sie lockte mich damit, dann auch immer etwas Leckeres zu kochen, um mir wenigstens diese Arbeit abzunehmen. Weil ich nicht schon wieder diskutieren wollte, versprach ich ihr das, obwohl auch Marlene gut kochte.

Apropos Marlene. Die hatte mir immer noch nicht verziehen, dass ich nicht sofort eingewilligt hatte, dass sie ihr Geld in das Haus stecken konnte. Aber ich bekam Magenschmerzen, wenn ich an so eine feste Bindung dachte.

 

Weil ich mal mit jemandem reden musste und bei Mark inzwischen berechtigte Bedenken hatte, dass im Moment kein normales Gespräch möglich war, solange wir noch diese Wette am Laufen hatten, ging ich mit Benny zum Schwimmen.

Zuerst stürzten wir uns in das erfrischende Nass. 

Leider war die Schwimmhalle an diesem Mittag recht leer. Dabei hätte ich gerne auch etwas fürs Auge gehabt. Die Temperaturen draußen waren nämlich immer noch nicht so, dass die Damenwelt viel Haut zeigen konnte.

Gegen später verirrten sich aber dann doch noch ein paar Mädels hier rein.

Etwas später fragte ich Benny, ob er mit mir oben in dem Restaurant was essen gehen würde. Mir langte es auf jeden Fall mit dem Sport für mehrere Tage.

Das Restaurant war sowohl für die Badegäste als auch für Gäste von draußen geöffnet.

 

Unentschlossen wälzte ich die Speisekarte. Schlug mir die Meinungsverschiedenheit mit Marlene jetzt auch noch auf den Magen? Ich musste dringend mit Benny reden, vielleicht wusste er ja, was ich tun sollte.

"Du... Benny", begann ich unsicher. Es kam wirklich nicht oft vor, dass ich einen Rat in Sachen Frauen brauchte. Aber da ich auch noch nie mit einer Frau außer meiner Mutter unter einem Dach gewohnt hatte, wunderte mich das nun nicht zu sehr.

"Ja?", fragte er.

"Ich habe ein kleines Problem...", begann ich.

"Wie ich dich inzwischen kenne, geht es um eine Frau, oder?", fragte er grinsend. Hatte ich Benny in den letzten Tagen und Wochen jemals schlecht gelaunt gesehen?

"Wie kommst du jetzt darauf?", fragte ich verblüfft.

"Na, was du mir montags immer so erzählst...", zwinkerte er. Okay. Mag sein, dass ich da so manche Story erzählte, aber es war ja nicht so, dass ich nichts anderes tat. Oder?

"Gut, dann bist du ja im Bilde", sagte ich dann nur lapidar. Auch recht. "Es geht um Marlene".

"Marlene?", fragte Benny und wurde ernster. Ich rechnete es ihm an, schließlich ging es hier um meine Mitbewohnerin und nicht um einen nichtssagenden Flirt.

"Ja. Wir haben uns... äh...", stotterte ich los.

"Ihr habt euch verliebt?", half Benny fragend nach.

"Ja und nein", gab ich zur Antwort.

"Okay. Du hast dich verliebt und sie will dich nicht? Und jetzt kränkt dich das?". Ich seufzte auf. Benny hatte eine 50:50 Chance gehabt. Knapp vorbei ist auch daneben, mein Lieber!

"Nein. Es ist andersrum", sagte ich dann knapp.

Nun war Benny kurz still. Er sah mich nur an und schien zu überlegen.

"Dann ist Marlene in dich verliebt?", fragte er leise.

"Ja, und sie möchte richtig fest mit mir zusammenleben. Aber das möchte ich nicht. Verstehe mich bitte nicht falsch, Marlene ist eine tolle Frau und wir hatten schon unseren Spass. Aber mehr möchte ich nicht, das engt mich zu sehr ein. Verstehst du das?"

"Ich weiß, was du meinst", sagte er. Wieder schwieg er kurz, bevor er sagte:

"Du solltest es ihr sagen".

"Ja, das ist ja mein Problem. Ich habe das vor ein paar Tagen angedeutet, und das nimmt sie mir wirklich übel. Es herrscht totale Funkstille zwischen uns"

"Klar, das sie das verletzt hat!", sagte Benny. "Außerdem möchte ich nicht wissen, mit welcher Holzhammermethode du vorgegangen bist"

"Gar nicht!", sagte ich beleidigt, und Benny lachte auf.

"Ist ja schon gut! Möchtest du jetzt ausgerechnet von mir einen Tipp, was du jetzt machen sollst? Ich weiß nicht, ob ich da der Richtige bin. Ich bin Single nicht aus Überzeugung und kann dir da bestimmt nicht so helfen wie jemand anders"

"Doch, kannst du bestimmt. Was würdest du jetzt an meiner Stelle machen? Ich mag sie ja schon, nur eben nicht so sehr, wie sie das gern hätte...", half ich ihm nochmal. Los, Benny! Irgendeinen Rat! Er überlegte nochmal, dann sagte er:

"Du musst ihr die Wahrheit sagen. In Ruhe. Nimm dir Zeit für sie, damit sie merkt, dass sie dir nicht egal ist. Und dann sag` es so wie zu mir gerade. Sie wird es bestimmt verstehen! Einen anderen Tipp kann ich dir leider nicht geben"

Ich überlegte. Mit ihr darüber reden... in Ruhe auch noch... tja, was sollte ich auch sonst machen? Nur die Wahrheit würde Marlene klar machen, was sie von mir erwarten konnte. Es war nur fair. Und trotzdem war das ein Gespräch, das ich am liebsten schon hinter mir hätte...

Ein paar Tage später traf ich Marlene an, wie sie in unserem winzigen Bad auf den Wasserhahn einhämmerte, der wieder mal hinüber war.

Und auch wenn ich mit Sicherheit nicht der beste Handwerker des Landes war, so fühlte ich mich doch verpflichtet, Marlene diese Arbeit abzunehmen. Also lächelte ich sie an und sagte:

"Komm` Marlene, lass mich das machen!". Ich wollte schon nach dem Schraubenschlüssel greifen, als sie mich anfauchte:

"Finger weg! Ich schaff` das schon allein!"

"Jetzt sei doch nicht so!", sagte ich und versuchte erneut, mir den Schlüssel zu greifen.

"Ich sagte, du sollst deine Hände bei dir lassen! Ich habe lange genug allein gelebt und werde das auch wieder, sobald es wieder wärmer wird. Da muss man sich auch mal zu helfen wissen!"

"Schon, ich sage ja auch nicht, dass du das nicht selber kannst. Aber ich.. mensch, jetzt lass` dir doch helfen! Und du musst hier auch nicht ausziehen! Das habe ich nämlich überhaupt nicht gemeint!". Nun hörte sie endlich mit dem nervigen hämmern auf und sah auf die Wassertropfen, die in unserem ganzen Bad verteilt waren. 

"Aber du hast so abwehrend reagiert, als ich gesagt hatte, dass ich gerne mein Geld zur Renovierung hier einbringen würde. Was soll ich denn da denken?", sagte sie niedergeschlagen.

"Marlene...", sagte ich zu ihr und nahm ihr endlich diesen Schraubenschlüssel weg und legte ihn zur Seite.

"Du bist mir wichtig, aber ich... ich kann mich nicht fest binden. Das konnte ich noch nie. Ich habe richtig Angst davor, musst du wissen, und es engt mich zu sehr ein"

"Noch nie?", fragte sie, so, als wenn das das einzige gewesen war, was ich gerade gesagt hatte. Ich seufzte auf. Es war ihr wohl wichtig, dass ich nicht nur bei ihr so reagiert hatte.

"Ja, noch nie. Ich meine, ich hatte Beziehungen, aber nie sehr lange oder sehr fest. Ich kann das einfach nicht. Und obwohl ich dich wirklich mag, kann ich auch hier nicht weiter gehen als bisher".

"Dann haben dir unsere Nächte auch nichts bedeutet", sagte sie traurig. Was sollte ich jetzt sagen? Natürlich hatten die mir was bedeutet, aber anders, als Marlene hoffte. Ich räusperte mich.

"Was denkst du denn? Du solltest soetwas nicht fragen!"

"Ich verstehe", sagte sie und drehte sich traurig weg. Es war so eine verdammt blöde Situation! Sie wollte schon gehen, als ich sie festhielt.

"Hör` mir zu! Ich möchte wirklich nicht, dass du hier ausziehst, ja? Wir haben uns doch schon so gut eingespielt, dass es absolut schade wäre, wenn das zerbrechen würde, oder? Außerdem möchte ich, dass wir Freunde bleiben. Auch wenn sich das jetzt furchtbar klischeehaft anhört, das weiß ich. Ich meine es aber so. Du bist mir wichtig". Und das stimmte. Bei ihr war es mir nicht egal, wenn sie den Kontakt zu mir abbrechen würde, was nun wirklich nicht das erste mal gewesen wäre. Dort draußen gab es so manche Frau, der ich besser nicht begegnete. Bei den anderen war es mir aber egal, bei Marlene nicht. Sie musterte mich lange.

"Du meinst das ernst, oder?", sagte sie dann überrascht. Ich nickte.

"Ja, das meine ich ernst. Es tut mir leid, dass ich dir nicht das geben kann, was du verdienst. Ich bin aber sicher, dass schon bald jemand kommen wird, der das tun kann. Dann wird es hier in der Hütte eben noch enger werden", grinste ich und sie lachte mich an.

"Ich glaube, ich brauche erstmal Beziehungspause. Nach diesen Schock mit dir...", ließ sie den Satz unvollendet. Ich nahm sie in den Arm.

"Klar. Es wird schwer werden, da jemanden zu finden, der auch nur annähernd so toll ist wie ich", flapste ich. Dazu sagte sie dann nichts mehr.

 

Ich lenkte dann das Thema auf unsere Wohnsituation. Ich hatte mir nämlich bereits ein paar Gedanken gemacht, wie man das hier lösen konnte. In zwei Tagen war der Notartermin, dann gehörte mir das Haus. Und dann musste sich hier dringend etwas ändern.

Ich hatte mir schon ein paar Skizzen gemacht, wie ich mir das Haus vorstellte, und zeigte die Marlene. Und endlich konnten wir wieder ganz normal reden. Sie brachte eigene Ideen ein und wir überlegten, welche Möglichkeiten wir hatten. Als es zu der finanziellen Frage kam, sagte sie:

"Lucas, ich möchte wirklich etwas beisteuern. Ich meine, wir sind ja jetzt sowas wie eine WG, da ist es doch normal, dass man sich gemeinsam beteiligt". Ich wollte davon nichts hören.

"Du wirst dein Geld noch brauchen! Ich schaffe das schon, glaube mir". Doch nun schüttelte sie den Kopf.

"Nur einen Teil meines Geldes! Und jetzt widersprich` mir nicht mehr, sonst überlege ich es mir nochmal, ob ich dir verzeihe oder nicht". Sie schaute mich gespielt streng an, so dass ich mir das Lachen verkneifen musste.

"Also gut. Wie du willst. Lassen wir uns erstmal Angebote machen, dann werden wir weitersehen. Vielleicht ist das Ganze ja überhaupt nicht realisierbar". Ich sah vor meinem geistigen Auge schon die Baufirmen kommen und sich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie das Hexenhaus sahen.

Am Tag des Notartermines traf ich mich mit Marks Eltern vor dem Gebäude. Als ich am Notariat ankam, warteten sie bereits.

"Hallo Lucas!", begrüßten sie mich erfreut und ich grüßte zurück. "Na, wollen wir?"

"Klar", sagte ich, und wir gingen in das neue Gebäude hinein.

Im Zimmer des Notars, Herrn Förster, bekamen wir den Kaufvertrag verlesen.

Ich hörte aufmerksam zu, doch das war gar nicht so leicht. Dieses Beamtendeutsch war ich einfach nicht gewohnt.

 

Danach mussten wir uns mit dem Personalausweis legitimieren und alle drei den Vertrag unterschreiben, weil das Grundstück auf beide Namen eingetragen gewesen war. Wir bekamen eine beglaubigte Abschrift des Grundbuches, in dem nun bei Flurstück soundso in Two Lake City mein Name als Eigentümer stand. Ein gutes Gefühl, irgendwie. Auch wenn es mehr ein Gartenhaus denn ein Wohnhaus war. Aber der Spass hatte ja auch genug gekostet.

Draußen verabschiedeten ich mich von Marks Eltern.

"Mach` es gut, Lucas. Wir sind schon froh, dass das Haus nun jemand gekauft hat, den wir kennen. Du weißt ja, Mark wohnt schon in einem eigenen Haus, Matthew geht bald in Alsimbra studieren und bei Amber kann ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie mal in dem Häuschen hätte wohnen wollen"

"Ich mir auch nicht", grinste ich und dachte an Marks kleine Schwester, die von einem Leben in der Großstadt träumte.

 

Wir tauschten noch ein paar Floskeln aus, dann verabschiedeten wir uns und ich ging mit dem Vertrag in der Tasche und als Eigentümer eines Hauses nach Hause.

Natürlich kam meine Mutter auch mich frisch gebackener Grundstückseigentümer besuchen. 

 

Das war ein ganz schönes Problem wegen Marlene, aber irgendwie schaffte ich es trotzdem, dass sich die beiden vorerst mal nicht über den Weg liefen. Denn meine Mutter wäre sicher total entzückt, wenn sie wüsste, dass ich mit einer Frau zusammenwohnte. Marlene hatte mit ihren zwei Jobs aber auch genug zu tun und war deshalb oft außer Haus. Meine Mutter rief sogar meistens an, bevor sie zu mir kommen wollte, so dass ich da gut darauf reagieren konnte. Aber irgendwann musste ich es sagen, aber jetzt traute ich mich einfach noch nicht.

Und wie meistens hatte sie dann eine Einkaufstüte mit Zutaten dabei und kochte "ihrem Jungen" etwas. Meine Mutter musste wirklich denken, dass ich hier kurz vor dem Hungertod stand.

 

Natürlich protestierte ich und erklärte ihr, dass sie das sicher nicht bräuchte. Doch davon wollte sie nichts wissen.

Und wenn mich dann die guten Düfte von Mutters Essen umspielten, konnte ich dann auch nicht mehr nein sagen, selbst dann nicht, wenn ich eigentlich gar keinen Hunger hatte.

Und irgendwie freute sich Mama darüber. Sie verwöhnte mich anscheinend gern.

 

Denn nicht nur mit dem Essen griff sie mir unter die Arme, sondern auch in finanzieller Angelegenheit. Als sie das Haus zum ersten Mal gesehen hatte, wäre sie fast wieder rückwarts rausgegangen und nur mit Mühe konnte sie es sich verkneifen, mir den Arzt zu holen, um meine Geistesgesundheit checken zu lassen. Den Eindruck hatte ich zumindest.

Ich weihte sie auch in die Umbaupläne ein, und da hatte sie mir spontan angeboten, 10.000 § für die nötigsten Renovierungsarbeiten zu geben. Was ihr ganz wichtig war, war ein separates Schlafzimmer und ein größeres Bad. Mit dem Geld aus meinem Bausparvertrag, den ich für den Kauf des Hauses noch nicht hatte anpacken müssen, und Marlenes Anteil würden wir so nun wirklich dieses Haus umbauen können.

 

Über eine spätere Rückzahlung meinerseits wollte sie nichts hören.

"Du bist doch mein einziges Kind, Lucas! Dir gehört doch irgendwann sowieso mal alles! Wenn ich dir jetzt schon mit dem Geld helfen kann, ist es doch gut! Dann habe ich auch noch etwas davon. Und jetzt ist das Thema erledigt", hatte sie gesagt, und ich hatte nicht mehr widersprochen, weil da natürlich ein Kernchen Wahrheit darin steckte.

Das gute und vor allem reichliche Essen von meiner Mutter, das ich zusätzlich aß, hatte irgendwann seine Spuren hinterlassen...

 

Fast unbemerkt war ich in die Breite gegangen. Dass die Hosen irgendwann gekniffen hatten, hatte ich verdrängt.

 

Doch gerade heute bekam ich den Knopf meiner Hose überhaupt nicht mehr zu!

 

Dabei war das so ein wichtiger Abend. Ich hatte nämlich ganz offiziell die Wette gewonnen. Mark hatte zerknirscht zugegeben, dass ich besser klar gekommen war als er gedacht hatte. Das ich nicht alleine gewesen war, hatte ich ihm verschwiegen. Mir war natürlich bewusst, dass das nicht richtig war, die Wette hatte ganz klar gesagt, dass ich es ohne Hilfe schaffen musste. Aber wenn ich jetzt sagte, dass ich eine Mitbewohnerin hatte, würde ich wie der letzte Trottel dastehen. Da konnte ich Mark lange erzählen, dass wir so unterschiedliche Arbeitszeiten hatten, dass wir uns eh kaum sahen und ich alles schaffte, was man in einem Haus schaffen musste. Und das wir uns gezankt hatten und dann tagelang überhaupt keinen Kontakt hatten, ließ er sicher auch nicht gelten.

 

Und jetzt das! Ich war ja richtig fett geworden! 

"Verdammt du blöder Knopf, gehe endlich zu!", fauchte ich meine Hose an und zog und zerrte daran in der Hoffnung, noch ein paar Zentimenter mehr herausschlagen zu können. Das durfte doch alles nicht wahr sein!

 

Und gleich würde Mark klingeln, um mich abzuholen!

Und wirklich, keine fünf Minuten später stand Mark bei mir. Ich hatte es unter Aufbietung aller Kräfte geschafft, den Knopf zu schließen. Nun wölbte sich mein Speck über den Hosenrand und sah supersexy aus. Ha!

 

"Mark, ich gehe heute nicht mit. Gehe du allein, ich bleibe hier", sagte ich zu ihm.

"Was? Was soll der Quatsch? Natürlich gehst du mit!", gab sich Mark entrüstet.

"Ich kann nicht. Ich bleibe hier!", wiederholte ich und war nahe dran, ihn aus dem Haus zu bugsieren.

"Geht es dir nicht gut? So krank siehst du gar nicht aus!", stellte Mark mit zusammengekniffenen Augen fest. Ich hätte ihn jetzt einfach in dem Glauben lassen können, dass es mir tatsächlich nicht gut ging. Aber dann wäre ich am nächsten Wochenende vor dem gleichen Problem gestanden, denn ich war mir fast sicher, dass ich Sportmuffel es nicht in einer Woche schaffen würde, diese Wampe wegzubekommen, um es mal so zu sagen.

"Verdammt, Mark!", zischte ich. "Guck mich doch an! So kann ich unmöglich in die Disco gehen!". Ich hatte mir einen Gürtel angezogen, weil ich Angst hatte, dass mir sonst der Knopf einfach weggesprengt wurde. Von meinen eigenen Körpermassen! Wenn das nicht deprimierend war, wusste ich auch nicht.

"Blödsinn!", sagte Mark. "Du siehst gut aus wie immer! Wir gehen jetzt!"

"Bist du blind? Guck dir doch mal meinen Bauch an!"

"Na und? Du hast doch die Jacke drüber! Jetzt stelle dich nicht so an, mit deinem Charme wirst du trotzdem zum Flirten kommen. Jetzt sei nicht kindisch. Wir haben immerhin deinen Sieg zu feiern, schon vergessen?". Es sollte wohl aufmunternd gemeint sein, aber mir wurde ganz anders beim Gedanken an die vielen Mädchen, denen ich nun SO entgegentreten musste. Ich wollte gerade weiter jammern, als Mark schon fortfuhr:

"Jetzt komm` endlich! Kein Mensch wird dir auf deinen Bauch starren!"

"Klar, der ist ja auch so klein und unübersehbar, gell?", sagte ich und rang schon fast nach Luft, so sehr spannte die Hose am Bauch.

"Lucas, mache aus einer Mücke keinen Elefanten. Wir gehen jetzt, dann wirst du schon sehen, dass alles in bester Ordnung ist".

 

Es wäre so schön gewesen, wenn er recht behalten hätte. Das er das nicht hatte, musste ich leider schon bald feststellen.

In meiner Stammdisco stürzte ich mich nicht wie sonst sofort ins Getümmel, nein, ich checkte erstmal die Lage. Gab es jemanden, der mit dem Finger auf mich zeigte? Eine Frau, die über mich kicherte?

 

Ich fühlte mich extrem unwohl und wäre am liebsten wieder nach Hause gegangen.

Obwohl... wer stand denn dort drüben? Die Frau schien taff genug zu sein, um über meinen momentanen, kleinen Schönheitsmakel hinwegzusehen, also ging ich einfach mal zu ihr rüber.

"Hey!", begrüßte ich sie. "Warum steht so eine Frau wie du so ganz allein hier herum?", fragte ich sie und lächelte sie gewinnend an. Die Frau schaute skeptisch in mein Gesicht. Gut so! Denn dort war ich noch nicht aufgegangen wie Hefeteig.

"Vor allem lasse ich mich ungern einfach anquatschen", sagte sie leicht genervt. Taff, sag` ich ja! Was kein Problem für mich war, mit dieser Sorte Frau hatte ich schon oft genug zu tun gehabt. Am Ende hatte ich die meisten bekommen.

"Entschuldigung, wirklich unhöflich von mir!", lächelte ich sie charmant an. "Ich heiße Lucas. Und einfach anquatschen wollte ich dich auch nicht, sondern dich auf einen Drink an der Bar einladen!". So. Name gesagt, eingeladen. Das müsste dann jetzt funktionieren.

 

Tja, müsste.

 

Diese Frau sah mich plötzlich von oben bis unten an, bekam ein fettes Grinsen ins Gesicht und sagte dann:

"Lucas... zum einen bin ich wirklich keine Frau, die mit dem erstbesten Kandidaten was trinkt, der es mir anbietet. Zum anderen ist mir Sport viel zu wichtig, als das ich mit so einem Dickerchen an die Bar gehen würde. Du entschuldigst mich", und ließ mich einfach stehen! Mich!!!

Deprimiert blieb ich an Ort und Stelle stehen. Ich dachte immer, dass Frauen nicht so auf Äußerlichkeiten schauten. Pustekuchen! Die waren doch keinen Deut besser als wir Männer, so sah es doch aus!

 

In diese Gedanken hinein wurde ich plötzlich von hinten auf die Schulter getippt. Beim Umdrehen sah ich Benny ins Gesicht.

"Hey, Lucas!", begrüßte er mich gut gelaunt. Kein Wunder, der hatte heute sicher noch keine Abfuhr bekommen!

"Hey, Benny", sagte ich kraftlos. Und bemerkte, dass er in einem von seinen Geschäftsanzügen hier war. "Sag`mal, was machst du denn mit den Arbeitsklamotten hier?", fragte ich ihn.

"Pst!", machte er sofort. "Ich wollte mich heute mal etwas schicker machen, aber außer dem Arbeitsanzug habe ich keinen zu Hause! Verrat`mich nicht!", grinste er und verschwand dann wieder im Getümmel.

Toll! Alle amüsierten sich hier prächtig, selbst Mark sah ich auf der Tanzfläche tanzen. Mit wem konnte ich allerdings nicht sehen. War auch egal.

 

Sehr niedergeschlagen setzte ich mich an die Bar. Wenn jetzt noch etwas helfen konnte, dann war das Alkohol. Anders würde ich diesen Abend nicht überstehen.

Ich bestellte mir also etwas Hochprozentiges. Pur. Alles andere wäre jetzt völlig unbrauchbar gewesen.

Ich bekam meinen Drink und grübelte immer noch über den weiblichen Teil der Bevölkerung nach. Und nahm mir vor, nach dem Drink zu gehen. Ich musste mir das hier nicht antun! Ganz bestimmt nicht!

 

Keine Frau, die mit mir flirtete, kein Blick, den ich auffing. Nicht einmal die Barfrau versuchte, mit mir ins Gespräch zu kommen. Ich kam mir wie ein Aussätziger vor.

Plötzlich näherte sich doch ein weibliches Wesen. Sollte ich etwa doch noch Beachtung bekommen? Schlecht sah sie zumindest nicht aus, obwohl ich ihr auf jeden Fall zu einer Langhaarfrisur geraten hätte.

 

Und dann sprach sie mich tatsächlich an! Jipiiieh!

 

"Hallo! Du siehst nicht gerade so aus, als wäre bei dir der Notstand ausgebrochen, und hast deshalb sicher nichts dagegen, wenn ich mir deinen Drink borge", sagte sie, wartete meine Antwort erst gar nicht ab und schnappte sich dann mein Glas.

Völlig überrumpelt saß ich da und konnte nicht ein Wort sagen. Zu allem Überfluss näherte sich jetzt auch Mark, der bestimmt alles mitbekommen hatte.

Auch Benny gesellte sich zu mir.

"Leute, ich gehe heim", sagte ich sofort zu meinen Freunden.

"Warum das denn?", fragte Mark. Benny war immer noch bestens gelaunt und flirtete mit einer der Damen hinterm Tresen. Na, danke auch!

"Ich habe keinen Bock mehr, darum. Du hast doch diese Bekloppte gesehen, die mir den Drink geklaut hat, oder?"

"Ach die. Wegen der musst du doch nicht abhauen! Ich kenne die Tussi, das macht die immer so! Mir hat sie mal die Tüte mit Nachos aus der Hand gerissen. Ich glaube, die hat sie nicht alle beisammen", munterte mich Mark auf. Meine Stimmung war trotzdem so in den Keller gerutscht, das mir das egal war. "Außerdem müssen wir noch auf deinen Sieg anstossen!"

"Nein, danke. Ich gehe", sagte ich, legte den Bardamen das Geld für den Drink hin, den jetzt eine bekloppte Tussi trank, und stand auf. "Viel Spass euch noch!", wünschte ich ihnen noch, bevor ich dann tatsächlich ging.

Am nächsten Morgen hatte Marlene vor ihrer Schicht als Lebensmittellieferantin ausgerechnet Pfannkuchen mit Schokosoße gemacht. Ich war hungrig, ja. Mein Magen war inzwischen schon andere Mengen gewohnt. Eigentlich sollte ich einen großen Bogen um dieses Essen machen. Ach komm` Lucas! Nur noch dieses eine Mal! Einmal ist keinmal!, sagte ich mir und griff beherzt zu.

Ich hatte gerade die Küche soweit in Ordnung gebracht, als mir diese zwei dummen Puten wieder einfielen.

 

War das denn zu fassen? Ich hatte doch nur einen Bauch bekommen! Sonst war ich noch derselbe, und trotzdem war der Abend ein Reinfall gewesen. Mich frustete das so sehr, dass ich mir eine Tüte Chips aus dem Schrank holte und noch im Stehen die Tüte aufriss und aß. Jetzt war eh alles egal. Anscheinend war ich mit Bauch nicht mehr zum Flirten geeignet. Die Chips knirschten zwischen meinen Zähnen, als ich wieder an den Abend dachte. Oder war das nur zufälliges Pech gewesen? Diese Tussi, die mir den Drink weggenommen hatte, machte sowas ja wohl andauernd. Und Blondie? Die Sportfanatikerin? Wieder griff ich in die Tüte und holte mir eine handvoll Chips, die sofort in meinen Schlund wanderten. Ach, Blondie konnte mir gestohlen bleiben! Diese Ziege sollte sich einen dürren Bock anlachen und glücklich werden.

 

Oder auch nicht, dachte ich gehässig.

Ich fand es trotzdem deprimierend, als Person nur auf meinen Bauch reduziert worden zu sein.

 

Ich selbst war doch nicht so, wenn es um Frauen ging.

 

Oder?

 

Quatsch! Ich doch nicht!

Nachdem die halbe Tüte gefuttert war, hielt ich inne. SO würde ich nicht wieder schlanker werden! Ich legte die Reste in den Schrank und besah mich nochmal genauer. Es war einfach schrecklich. Meine Körpermitte hatte sich verdreifacht! Na, da bekamen die Worte: "Komm, Süße, willst du mal kuscheln?" doch gleich einen ganz anderen Sinn! Ich - der Bär! Mich schüttelte es und ahnte natürlich, worauf das hinaus lief: Sport. Training. Schweiß.

 

Himmel, hilf! Davon hatte ich wirklich keine Ahnung!

Ausgerechnet an dem Abend wollte sich Geraldine mit mir treffen. Ich sagte unter einem fadenscheinigen Grund ab, denn so sollte sie mich auf keinen Fall sehen!

 

Wie deprimierend! Mit Geraldine wäre der Abend genauso geworden, wie sich das ein Mann wünschte. Und jetzt würde ich wieder allein in meinem Bett liegen, nur weil ich mir diesen unsexy Bauch angefuttert hatte! Das war doch zum Haare raufen!

Bevor ich mir allerdings um meinen Speck weitere Gedanken machen konnte, passierte etwas anderes: Unser Baugesuch war schnell und unkompliziert genehmigt worden! Mit dieser Schnelligkeit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.

 

Jetzt musste gehandelt werden: Die Möbel lagerten wir erstmal in einem alten Schuppen von Marks Eltern ein, Marlene würde bei einer Freundin unterkommen und ich würde während der Bauphase wieder zu meiner Mutter ziehen.

Am Tag des Auszugs wartete ich also brav auf den Möbelwagen, den wir gemietet hatten und erhaschte so noch einmal einen letzten Blick auf das giftgrüne Hexenhaus. Und hoffte, dass es sich nach dem Umbau freundlicher präsentierte.

Die Firma arbeitete schnell und gut, und nur 5 Wochen später war das Haus bezugsfertig. Marlene und ich konnten in unser neues, altes Haus einziehen.

 

Ich holte sie von ihrer Freundin ab, und gemeinsam in einem Taxi fuhren wir zu unserem Haus.

"Marlene...! Siehst du, was ich sehe?"

Ich bekam keine Antwort. Denn Marlene war wohl genauso überrascht wie ich.

Die Simlane 10 war bombastisch geworden!

 

Eine freundliche Fassadenfarbe erwartete uns nun, die neuen Ziegel strahlten in der Wintersonne, die hellen Fenster und Türen machten schon von außen doch gleich ein ganz anderes Bild.

 

Das Geld hatte sogar noch für eine Terrasse gereicht, wo wir im Sommer sicher sehr gemütlich sitzen konnten. Ich stellte mir schon Kerzenschein und ein nettes Mädchen vor, das mir Gesellschaft leistete...

 

Es gab noch ein paar wenige Nachlieferungen, wie etwa die Terrassentür. Es war noch nicht alles so, wie wir uns das vorstellten, der Garten verdiente den Namen nicht, aber es war eine unglaubliche Verbesserung zu vorher.

Da ich wusste, das dieser Umbau nur deshalb möglich gewesen war, weil mir Marks Eltern das Haus für einen Hammerpreis verkauft hatten, wollte ich mich bei ihnen bedanken und lud sie zu uns ein.

 

Natürlich zusammen mit ihren drei Kindern. Mark, Matthew und Amber, die Jüngste der drei.

 

Mark erzählte ich, dass ich eine neue Mitbewohnerin hatte, damit ich die Unterhaltskosten nicht allein tragen musste. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass ich nicht mehr aufpassen musste, dass sich Mark und Marlene nicht zufällig über den Weg liefen. Er zog die Augenbrauen hoch und fragte süffisant, ob die Dame ihre Miete mit Liebesdiensten bezahlte, woraufhin ich ihn einen Witzbold nannte und ihm drohte, dass er sich benehmen sollte.

Amber, die kleine Göre, war gar nicht mehr so klein. Und sie würde in nicht allzu langer Zeit ihren 18. Geburtstag feiern und damit zur Welt der Erwachsenen gehören. Unglaublich! Schließlich hatte ich sie schon als Kleinkind kennengelernt. Was mich allerdings nicht daran hinderte, sie auf den Arm zu nehmen.

"Hey, Amber!", begrüßte ich sie. "Na, ist es für dich nicht Zeit ins Bett zu gehen?"

"Haha!", machte sie. "Witzig wie immer, was?", konterte sie und ich grinste sie an.

 

Was machte eigentlich Matthew, der mittlere der drei Kids, auf unserer neuen Terrasse? Sollte das ein Begrüßungstanz werden oder was? Ich ging besser mal wieder ins Haus hinein.

Marlene hatte für uns alle gekocht. Lachs. Köstliche Düfte zogen durch unser Haus und mir lief schon wieder das Wasser im Mund zusammen.

Mit sovielen Leuten am Tisch wurde das Essen dann sehr lebendig. Vor allem Jeremy, Marks Vater, konnte super erzählen. Er war ein echt cooler Typ, das musste man ihm lassen.

"Isst du denn nichts, Lucas?", fragte mich da plötzlich Amber. Ich hatte es mir tatsächlich bisher erfolgreich verbissen, ebenfalls einen Teller des leckeren Fisches zu nehmen. Es war schon hart genug gewesen, den anderen beim Essen zuschauen zu müssen.

"Ähm...", sagte ich gedehnt. "Ich hatte vorhin schon was"

"Vielleicht möchte er auch nur den Kampf gegen die Pfunde aufnehmen!", grinste da Matthew los. Der Bengel war immer noch drei Jahre jünger als ich und sollte sich mal besser vorsehen was er sagte!

"Matthew!", wurde er dann auch von Mark gerügt.

"Lass` ihn, Mark. Es stimmt ja, ich sollte wirklich was gegen das Übergewicht machen", meinte ich. Die anderen waren schließlich nicht blind und hatten wohl schon selbst gesehen, das ich zugenommen hatte, da konnte ich auch offen sein.

"Natürlich. Schon als ich ins Haus kam habe ich mich gefragt, wie du durch die Tür gekommen bist", sagte Mark triefend sarkastisch. Es war ja nett von ihm, dass er mich aufbauen wollte, aber ich musste einfach der Wahrheit ins Auge blicken.

"Dieses Problem werde ich wohl bald haben, wenn ich nicht aufpasse", sagte ich dann. "Ich habe mir erst gestern zwei neue Hosen gekauft".

 

 

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