Teil 3

Mir war richtig schlecht. Mein ganzer Körper rebellierte, aber mein Magen zeigte am deutlichsten, was er von der Situation hielt und fühlte sich an, als drehe er sich kreuz und quer durch meinen Bauch.

 

Ob die Entscheidung, es ihr nicht zu sagen, eine richtige Entscheidung gewesen war, wusste ich nicht. Wir hielten sie dafür. Aber jetzt blieb einfach keine andere Wahl, wollte ich nicht entweder meine Mutter oder meinen Bruder von meiner Hochzeit wieder ausladen.

Mama kam dann gut gelaunt bei uns an. Fragte nach ihrem Enkel, erzählte von ihrem Job und alles hätte so schön sein können.

 

Gäbe es da nicht diese Sache, die sie nun leider wissen musste. Mein Gott, sie sah mich so freundlich an, und ich wusste, ich würde ihr gleich einen Dolch ins Herz stoßen. Zwei Dolche, um genau zu sein. Die Sache an sich würde sie sicher sehr hart treffen, aber dann eben auch die Tatsache, dass ich jahrelang geschwiegen hatte...

"Lucas", sagte sie plötzlich, "du wirkst heute sehr nervös. Habt ihr solchen Stress mit den Hochzeitsvorbereitungen? Kann ich euch irgendwie helfen?". Ich schluckte hart. Natürlich war ihr meine Nervosität aufgefallen! Und es wäre absolut lächerlich gewesen, wenn ich mich da jetzt herausgeredet hätte. Deshalb sagte ich:

"Mama, ich muss dir etwas sagen". Meine Stimme hatte gekrächzt, und meine Mutter sah mich sofort erschrocken an.

"Ist... etwas passiert?", fragte sie stockend.

"Nein. Also doch. Es ist...", ich hielt inne.

"Was ist los?", fragte sie und sah mich ängstlich an. Sie ahnte natürlich schon, dass ich nicht so nervös gewesen wäre, würde ich ihr gleich etwas Schönes sagen wollen. Aber wie zum Teufel begann man so ein Gespräch, überlegte ich verzweifelt.

"Es geht um Papa", sagte ich dann einfach, weil mir nichts Besseres eingefallen war. Mutter runzelte die Stirn und sah mich fragend an.

"Um Papa?", sagte sie dann. "Aber... Was soll das heißen?". Wieder schluckte ich schwer an dem Kloß in meinem Hals, der einfach nicht verschwinden wollte. Wie gern wäre ich jetzt einfach aufgestanden und hätte was getrunken, aber ich wusste, dass es immer schwerer werden würde, je länger ich das jetzt noch rauszögerte.

"Ja", bestätigte ich. "Es gibt da etwas, das du wissen solltest"

"Du meinst, du weißt etwas über Papa, das ich nicht weiß?", fragte sie ungläubig. Und noch ungläubiger schaute sie mich an, als ich zustimmend nickte. Und dann, dann sagte ich den Satz, den ich nie hatte sagen wollen:

"Papa hatte außer mir noch einen Sohn".

"Was erzählst du mir da, Lucas?", fragte sie und stand auf. "Wie soll das gehen? Und woher nimmst du dir diese Geschichte?". Ich seufzte auf und stellte mich zu ihr.

"Ich nehme gar nichts", sagte ich bestimmt. "Komm, setz dich doch wieder, dann..."

"Nein!", unterbrach sie mich. "Ich werde genau hier stehen bleiben und mir von dir erzählen lassen, wie du auf so etwas kommst!"

"Gut", sagte ich nickend. "Genau das hatte ich vor. Du versprichst mir aber, hier nicht einfach umzukippen, ja?". Meine Mutter schnaubte.

"Lucas! Du hast mir gerade so etwas Haarsträubendes gesagt, könnte ich jetzt mal erfahren, wie du auf so etwas Ungeheuerliches kommst? Wer erzählt dir solche Märchen?". Sie war aufgebracht und vielleicht sogar wütend, und das war der Grund, warum ich nun ohne um den heißen Brei herumzureden antwortete:

"Mein Bruder selbst". Meine Mutter sog scharf die Luft ein.

"Was für einem Schwindler bist du da aufgesessen?", fragte sie leise und ich lachte auf.

"Keinem Schwindler, Mama. Glaube mir. Ich habe Beweise"

"Was für Beweise sollen das sein? Gefälschte Bilder?", sagte sie, und ich bemerkte, wie sie einen Schutzwall um sich herum aufbaute, um die Wahrheit nicht an sich ranlassen zu müssen. "Will er dein Geld?"

"Welches Geld?", fragte ich sie. "Weder du noch ich haben wirklich viel Geld, oder?", antwortete ich kopfschüttelnd.

"Was mich wieder zur Frage kommen lässt, was das für ein Kerl ist, der so etwas behauptet!", stimmte mir meine Mutter wenigstens in dem Punkt zu.

"Mama, er stand bei mir hier vor der Tür, weil er Leukämie hatte und mich bat, eine Stammzellenprobe machen zu lassen". Nun wurde meine Mutter ernst.

"Leukämie?", fragte sie leise nach und ich nickte.

"Und?", hakte sie weiter nach und ich erzählte ihr daraufhin die ganze Geschichte. Vom Besuch bei seinen Eltern, meiner Stammzellenspende für ihn, das Glück, dass er die Leukämie besiegt hatte aber jetzt immer wieder für Krebs anfällig war. Ich ließ auch nicht aus, dass er mir sehr wichtig war. "Und jetzt ist es so", schloss ich meine lange Erzählung, "dass ich euch beide auf meiner Hochzeit dabei haben möchte, dich und ihn. Und deshalb musste ich es dir sagen"

"Warum hast du das nicht schon viel früher? So viele Jahre, Lucas!".

"Ja, ich weiß. Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, Mama. Aber es war eine bewusste Entscheidung, denn ich wollte dir das Bild von Papa nicht kaputt machen, so, wie Oli es anfangs fast bei mir getan hat. Verstehst du?". In meiner Mutter arbeitete es.

"Ja", antwortete sie dann. "Wie alt ist er?"

"Er ist drei Jahre jünger als ich", sagte ich und meine Mutter sah mir nervös von einem Auge zum anderen.

"Drei Jahre jünger...", murmelte sie, dann fasste sie sich an den Kopf. Ich erschrak, weil sie plötzlich ganz zerbrechlich wirkte.

"Mama? Geht es dir nicht gut?", wollte ich wissen. Die Informationen waren doch zu viel für sie gewesen!

"Ich weiß, wann es passiert ist", murmelte meine Mutter ohne auf mich einzugehen.

"Was?", hakte ich nach.

"Oh Gott, Lucas!", sagte sie kraftlos und sah mich wieder an. "Dein Vater und ich hatten so einen Streit damals..."

"Es war mal wieder soweit gewesen. Dein Vater war dabei, sich von mir für eine längere Zeit zu verabschieden, um irgendeine Ladung quer durch Europa zu transportieren. Ich selbst war immer unzufriedener geworden mit der ganzen Situation. Wir hatten dich, du warst damals gerade mal zweieinhalb Jahre alt, und ich wollte meinen Mann nicht schon wieder verabschieden. In letzter Zeit hatte er immer öfter Aufträge angenommen, die ihn immer weiter und immer länger von zu Hause wegbrachten. Ich wusste natürlich, dass er das wegen des Geldes getan hatte. Wir hatten damals wirklich kaum was, und er sagte immer, dass er seiner Familie ein bisschen was bieten wolle.

An diesem Tag war ich allerdings überhaupt nicht gewillt, ihn ziehen zu lassen, ohne meinen Unmut darüber kundzutun. Was ungewöhnlich war, denn normalerweise hatte ich immer versucht, ihn vor seinen Touren mit nichts zu belasten. Ich wusste ja, dass er sich konzentrieren musste. Aber ich schätze, es hatte sich einfach zu viel aufgestaut, was an dem Tag dann hatte raus müssen.

 

"Markus, warum muss es schon wieder eine Tour sein, die dich erst wieder in zehn Tagen nach Hause bringt? Du bist doch erst drei Tage hier! Und davor warst du schon fast eine Woche weg!", hatte ich verständnislos gefragt.

"Schatz! Wir hatten das doch besprochen!", hatte er lächelnd geantwortet. Du musst wissen, dass dein Vater eine Engelsgeduld hatte. Doch an diesem Tag hatte mich das noch mehr auf die Palme gebracht. Ich hatte ihn angesehen und ihn daran erinnert, dass wir auch ein zweites Kind wollten. Ja, dafür wollten wir auch sparen. Für dich und für ein mögliches zweites Kind. Ich hatte ihn gefragt, wie wir überhaupt ein zweites Kind bekommen sollten, wenn er nie da war.

Da war es dann mit seiner Geduld vorbei.

 

"Du weißt, dass ich das Fahren liebe! Du hast das gewusst, bevor wir geheiratet haben!", hatte er mir an den Kopf geworfen.

"Ja, das weiß ich! Aber du bist nicht mit deinem Laster verheiratet, sondern mit mir!", hatte ich ihm vorgeworfen. So hatte ein Wort das andere ergeben.

"Dann geh doch! Geh doch zu deinem Laster!", hatte ich ihn angeschrien, als wir beide richtig in Rage gewesen waren.

Und ohne ein weiteres Wort ist er dann wirklich gegangen.

Ich war fertig. Dieses ewige Vermissen hatte mich zermürbt, ohne dich hätte ich zu dieser Zeit wirklich kaum noch Freude gehabt. Ich hatte ihn so sehr geliebt und er war einfach nie da.

Vor dir versuchte ich mir natürlich nichts anmerken zu lassen. Und du warst auch noch klein, ich denke, du hast wirklich nichts gemerkt. Denn du warst immer so fröhlich und hast mir so ein bisschen von meinem Kummer genommen". Meine Mutter lächelte mich kurz an, und ich lächelte zurück. Olivers Mutter hatte mir erzählt, dass mein Vater bei ihr an der Raststätte eine Pause gemacht hatte und ihr erzählt hatte, sich mit meiner Mutter gestritten zu haben. Grob hatte ich die Gründe ja schon gewusst, aber nun erfuhr ich die Details.

Meine Mutter erzählte weiter:

"Als dein Vater wieder da war, war er wie versteinert. Kein Lächeln hatte er für mich übrig.

Wir machten mit dir einen Spaziergang in den Park. Hier waren wir oft, manchmal hatte er auch geangelt und ich hatte mir dir so lange gespielt oder ein Buch gelesen. Das waren diese friedlichen Momente, die ich so vermisste. Doch an dem Tag war an so etwas nicht mal zu denken. Er sprach kaum mit mir, und ich, ich war bereit, mit ihm diesen Streit aus der Welt zu schaffen.

"Schatz, können wir noch mal in Ruhe über das Thema reden, das wir besprochen hatten, bevor du gegangen bist?", fragte ich ihn deshalb. Ich wollte keinen Streit, und ich wusste, dass wir alles lösen konnten.

"Ja, wir müssen reden, aber über was anderes", hatte er ernst gesagt. So kannte ich ihn gar nicht, und verwirrt hatte ich ihn angesehen.

Tja, und dann hatte er mir alles gestanden. Dass er einer Frau auf einer Raststätte nach einem Überfall geholfen hatte. Dass sie lange geredet hatten. Dass diese Nähe ihm gutgetan hatte, weil sie ihn verstanden hatte. Verstehst du das? Eine Frau, die ihn kaum gekannt hatte, war ihm näher gewesen als ich! Sie hatte wohl gemeint, ihn trösten zu müssen und von Dingen zu reden, von denen sie keine Ahnung hatte! Nur wer das selbst erlebt hat, weiß, wie es ist, einen geliebten Menschen dauernd wieder verabschieden zu müssen. Für lange Zeit!". Meine Mutter machte eine Pause und ich fügte in meinem Kopf die beiden Geschichten, die ich nun kannte, zu einer zusammen. Und ich versuchte, sowohl meinen Vater als auch meine Mutter zu verstehen. Nicht den Seitensprung an sich, sondern die Gründe, wie es so weit hatte kommen können.

Meine Mutter fuhr fort:

"Diese ungeheuerlichen Worte prasselten auf mich ein. Und als er mir gestanden hatte, dass er mich betrogen hatte, war in mir nur noch eine Leere. Ich war verraten worden. Er hatte unsere Liebe mit Füßen getreten wegen eines blöden Streits. Ich weiß noch, wie es in diesem Moment anfing zu regnen. Du saßst in deinem Buggy, und ich wollte dich so schnell es ging ins Trockene bringen. Deshalb sagte ich zu deinem Vater, dass er, wenn wir wieder zu Hause waren, einfach seine Sachen packen und gehen soll.

Er war entsetzt. Er entschuldigte sich tausendmal, sagte, dass er uns liebte und mit mir darüber reden wollte. Doch das wollte und konnte ich nicht. Dein Vater ist noch an diesem Tag ausgezogen". Wieder machte meine Mutter eine Pause, und ich sah sie fragend an.

"Papa ist ausgezogen? Für wie lange?", wollte ich wissen, weil ich natürlich keinerlei Erinnerung mehr an diese Zeit hatte.

"Fast ein Vierteljahr", antwortete meine Mutter.

"Wie kam es, dass ihr euch wieder versöhnt habt?", wollte ich wissen. Und meine Mutter begann nun leicht zu lächeln, als sie sich an damals erinnerte.

"Weißt du, dadurch, dass er ja immer wieder bei uns war, um dich sehen zu können, hatten wir tatsächlich Zeit, um zu reden. Ich machte ihm klar, wie sehr er mich verletzt hatte, aber auch ich fand Verständnis für ihn. Ich wusste, dass es auch für ihn nicht leicht war, uns immer wieder so lange alleine zu lassen, aber das er eben auch seinen Job liebte und für uns was aufbauen wollte. Es hatte ihn genauso zermürbt, dass ich nicht mehr hinter ihm gestanden war, wie es auch mich zermürbt hatte, weil ich dachte, er mache sich nichts mehr aus seiner Familie. Irgendwann - na ja, ich vermisste ihn immer mehr. Ich freute mich immer mehr, wenn er zu uns kam, ihn wieder zu sehen. Was soll ich sagen? Die Liebe zu ihm war einfach stärker gewesen. Ich konnte ihm verzeihen und er zog wieder bei uns ein. Lucas, ich habe diesen Schritt nie bereut. Dein Vater war mir dann immer treu und er hat uns sehr geliebt, das habe ich ab da noch mehr gespürt als davor", schloss sie ihre Erzählung.

 

Und genau diese Liebe war es, die ich danach als Kind gespürt hatte. Ich hatte mich also nicht geirrt!

"Du hast gesagt, ihr wolltet ein zweites Kind?", hakte ich nach, weil mir dieser Satz noch im Kopf herumspukte. Meine Mutter schluckte kurz, bevor sie nickte.

"Ja. Es hat nicht mehr sollen sein. Aber wir hatten ja dich". Wieder lächelte sie mich an, diesmal wieder offener. "Und du sagst, dass dein Vater nichts von seinem anderen Sohn gewusst hat?", fragte mich meine Mutter dann. Ich nickte.

"Olivers Mutter hat gesagt, dass sie es niemandem erzählt hatte, bis auf ihren Mann. Und später dann natürlich Oli und auch seinem Bruder Volker".

"Wie hätte wohl dein Vater reagiert, wenn er es gewusst hätte?", fragte mich meine Mutter.

"Das habe ich mich auch schon oft gefragt", sagte ich. "Aber ich weiß es nicht"

"Wie sieht er denn aus? Du hast gesagt, dass er Papa so ähnlich sieht..."

"Er ist hier", ließ ich die Bombe platzen.

"Was?", fragte meine Mutter ungläubig.

"Er war die ganze Zeit draußen im Garten". Nun bekam meine Mutter große Augen.

"Er sitzt schon seit einer Stunde dort draußen?", hakte sie nach.

"Ja. Er ist mein Joker, falls du mir nicht hättest glauben wollen", sagte ich den Hauptgrund, warum ich Oli gebeten hatte, heute ebenfalls hier zu sein. Meine Mutter sagte nichts.

"Mama, möchtest du ihn kennenlernen?".

"Ich weiß nicht...", sagte sie. "Es ist alles doch sehr viel für mich jetzt!"

"Das kann ich gut verstehen!", versicherte ich ihr. "Aber auf der Hochzeit wirst du ihn ja auch sehen, und so könntest du dich vielleicht ein bisschen darauf vorbereiten".

 

Wieder sagte sie nichts mehr. Sie wirkte verunsichert, und das verstand ich so vollkommen. Doch dann nickte sie leicht, und ich ging hinaus in den Garten, um Oli zu holen.

"Und? Wie läuft es?", fragte Oli sofort, als ich bei ihm war.

"Nicht so gut. Aber so, wie erwartet", antwortete ich. "Ich denke, es ist vielleicht ganz gut, wenn sie dich kurz sieht, damit der Schock nicht auf der Hochzeit kommt. Aber ich weiß nicht, wie lange sie das aushält...". Ich beendete den Satz nicht, aber Oli verstand auch so.

"Klar! Kein Problem! Ich gehe nur kurz rein", sagte er sofort, dann gingen wir los.

Als wir dann das Wohnzimmer betraten, in dem meine Mutter immer noch am gleichen Platz wie vorhin stand, und sie Oli sah, sog sie erschrocken die Luft ein. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Oli grüßte sie freundlich, doch sie sagte kein Wort.

Sie riss sich von Olis Anblick los und wandte sich an mich.

"Ich kann das nicht. Ich gehe nach Hause"

"Mama, warte! Geht es dir überhaupt gut genug, um sicher nach Hause zu kommen?", fragte ich besorgt.

"Ja, natürlich. Aber ich muss hier raus, entschuldige bitte", sagte sie.

"Lass uns noch mal darüber reden!", bat ich sie.

"Ja, nur heute nicht mehr". Und damit ging sie aus dem Haus, ohne Oli noch mal angesehen zu haben.

 

Oli blieb dann noch ein bisschen, damit er seinen Neffen mal wieder sehen konnte. Wir redeten noch über die Situation und ich musste ihm versprechen, ihn auf dem Laufenden zu halten, wenn es von meiner Mutter Neuigkeiten gab.

 

Doch so unglücklich der Schluss auch verlaufen war, so froh war ich, dass meine Mutter endlich Bescheid wusste. Was aus diesem Wissen für sie wurde, wusste ich natürlich nicht, und vielleicht wünschte sie sich, ich hätte nichts gesagt. Doch jetzt würde es bei Familienfeiern keine Probleme mehr geben, denn Oli und Toni würden nun auch dabei sein können. Vorausgesetzt, meine Mutter konnte das akzeptieren. Und das, so viel war sicher, stand noch völlig in den Sternen.

Es war eine Woche vor unserer Hochzeit. Hanna und ich hatten es uns auf unserer Terrasse gemütlich gemacht, während Raphael im Garten spielte. Es war zwar schon Anfang September, doch die Sonne war noch kräftig und wir genossen nicht nur das schöne Wetter, sondern auch einen Samstag voller Ruhe. Wir waren mit unseren Vorbereitungen fertig und konnten heute mal wieder richtig entspannen.

Wir waren noch gar nicht so lange hier, als meine Mutter zu uns kam.

"Hallo Mama, was verschafft uns die Ehre?", begrüßte ich sie, und meine Mutter lächelte uns zu.

"Och, ich war gerade in der Gegend und wollte nur mal hallo sagen", sagte sie wenig überzeugend. Ich runzelte deshalb die Stirn, doch sie sagte nichts weiter. Ich war ja schon froh, dass es ihr nach der Nachricht mit Oli eigentlich recht gut ging. Sie hatte mir ein paar Tage nach unserem Gespräch gesagt, dass ihr der Gedanke zwar sehr schwer falle, sie aber auf jeden Fall wolle, dass wir eine schöne Hochzeit hatten und uns da nicht im Weg stehen würde. Sie hatte nur die Bitte gehabt, dass wir Oli nicht so nah an sie ran setzen sollten, weil alles noch so neu für sie war. Dem Wunsch konnten wir natürlich entsprechen, alles andere würde sich dann auf der Hochzeit zeigen.


Meine Mutter ging dann auch ihren Enkel begrüßen, und irgendwie kam sie mir heute anders vor. Mir schien, als wäre sie ganz und gar nicht zufällig hier, doch ich konnte nicht mal genau sagen, warum ich das so empfand.

Nur ein paar Minuten später zeigte sich, dass ich recht hatte. Denn plötzlich kamen unsere Freunde hier her!

Und zwar auffallend gleich gekleidet!

"Was macht ihr denn alle hier?", fragte ich in die Runde, und Mark sagte:

"Johanna und du werdet jetzt entführt, ganz einfach!"

"Soll das ein Junggesellenabschied werden?", hakte ich nach, und mein Fast-Schwager Marcel antwortete:

"So sieht es aus!"

"Wir haben doch gesagt, dass wir keinen machen, weil wir nicht das Gefühl haben, dass wir nach der Hochzeit keinen Spaß mehr haben können!", erinnerte ich die Jungs.

"Das glauben wir ja auch! Und wir werden euch auch ganz sicher nicht in irgendwelche Nachtclubs oder so entführen, aber wir wollten uns auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, noch mal so richtig feiern zu gehen!", bemerkte Mark und grinste mich an.

"Und wir gehen alle zusammen?", fragte ich nach, weil das doch eher ungewöhnlich war.

"Nein, das ist alles ganz genau abgesprochen. Du wirst heute Abend auf deine Verlobte verzichten müssen", zwinkerte Mark mir zu. Jetzt war auch klar, warum meine Mutter hier war. Sie war der Babysitter für Raphael!

"Wir haben euch auch T-Shirts mitgebracht, deshalb würden wir euch bitten, euch umziehen zu gehen", sagte Marita grinsend. Oh mein Gott, was für Shirts mochten das wohl sein?

Hanna und ich verzogen uns also in unser Schlafzimmer. Zu unserer Überraschung waren die Shirts wirklich cool. Hannas Shirt hatte den Schriftzug "Braut" hinten drauf, und die Mädels "Security der Braut".

Ich selbst war nun also der Ringträger vom Herrn der Ringe, und ich fand das genial! Ich hatte gesehen, dass die anderen Jungs hinten "Der Herr der Ringe - Die Gefährten" auf den Shirts drauf stehen hatten.

Hanna und ich küssten uns.

"Sind sie nicht verrückt?", fragte ich nach dem Kuss und Hanna sagte:

"Liebenswert verrückt. Es ist unglaublich, dass sie das für uns organisiert haben, oder?"

"Allerdings! Ich wünsche euch viel Spaß heute Abend"

"Ich euch auch!"

Die zwei Gruppen verabschiedeten sich voneinander, denn unsere Wege würden sich jetzt trennen. Hanna und ich hatten noch keine Ahnung, wohin es gehen würde. Meine Mutter sagte uns, dass sie Raphael mit zu sich nehmen würde, so dass wir nicht leise sein mussten, wenn wir wieder nach Hause kämen. Sicher erwartete sie, dass ich dann im Vollrausch an jedem Möbelstück hängen bleiben würde oder ähnliches.

Die Jungs gingen mit mir ins "Black Sky", und damit in eine ganz normale Disco, die ich schon oft besucht hatte. Mir flashte auch gleich die Erinnerung an einen Abend hier in den Kopf, als ich zum ersten Mal mit Hanna gesprochen hatte. Damals hatte ich sie zu meiner Party eingeladen, weil ich sie mit Mark verkuppeln wollte. Ich lächelte bei dem Gedanken daran.

Wir tanzten ausgelassen auf der Tanzfläche, und das machte mir so Spaß wie früher. Schon nach kurzer Zeit musste ich feststellen, dass die Idee meiner Freunde gut gewesen war!

Natürlich wollte ich rausfinden, wessen Idee es gewesen war. Deshalb fragte ich meinen Bruder.

"Und? Warst du es, der sich so dreist gegen unsere Worte gestellt hat?"

"Leider nicht", grinste der. "Ich wünschte, es wäre meine Idee gewesen".

"Aha. Wer war es dann?", löcherte ich ihn weiter.

"Sage ich nicht. Diesen Eid haben wir alle geschworen, tut mir leid". Er sah überhaupt nicht so aus, als würde ihm das leid tun, denn sein Grinsen wurde immer breiter. Ich grinste zurück.

"Ich bekomme das schon noch raus"

"Vielleicht, vielleicht auch nicht", lachte Oli, bevor wir an die Bar gingen und uns was zum Trinken holten.

Dort stärkten wir uns etwas. Ich hatte mich für den heutigen Abend für einen Cocktail entschieden. Wie lange es her war, dass ich so etwas getrunken hatte!

Natürlich wurde ich auch wegen des Shirts angesprochen.

"Du bist also der Bräutigam?", fragte mich eine rothaarige, stark geschminkte Frau in meinem Alter.

"Sieht fast so aus", lächelte ich sie an.

"Hm schade, da hätte ich dich wohl früher kennenlernen sollen", flirtete sie mit mir. Ich wollte gerade was Nettes, aber Unverbindliches darauf antworten, als Mark, der hinter der Frau stand, mir zu rief:

"Lucas, bleib sauber!", woraufhin sich die Frau dann schnell verabschiedete. Ich schüttelte den Kopf Richtung Mark. Als müsste er auf mich aufpassen, also wirklich! Doch auch er ließ sich überhaupt nicht davon beeindrucken sondern zwinkerte mir zu.

Als wir alle bis auf Benny, unseren Fahrer, schon etwas angeheitert waren, fingen wir an, Schlambada auf der Tanzfläche zu tanzen. In jeder anderen Situation wäre mir das wohl etwas peinlich gewesen, aber heute ging das. Es war so lustig, vor allem, wenn man in die Gesichter der anderen sah!

Hanna und ich kamen zufälligerweise fast gleichzeitig nach Hause. Nach dem wir kurz über unseren Abend erzählt hatten - die Mädels waren im Doc Browns gewesen - beendeten wir den Abend dann auf die leidenschaftliche Weise.

Es war der Abend vor unserer Hochzeit. Hanna und ich hatten es uns auf unserem Bett gemütlich gemacht, nachdem Raphael endlich eingeschlafen war. Er war wegen unserer morgigen Hochzeit sehr aufgeregt und hatte uns tatsächlich damit angesteckt. An Schlaf war noch nicht zu denken, obwohl wir den sicher gut gebrauchen konnten. In die Flitterwochen würde es erst mal auch nicht gehen, was zwei Gründe hatte: Zum einen war Raphael nun ein Schüler und wir waren auf die Ferien angewiesen. Zum anderen fehlte uns schlicht das Geld. Nachdem die Mieteinnahmen von Susan und Marita weggefallen, dafür aber die Privatschulgebühren nun dazu gekommen waren und die Hochzeit ja auch nicht umsonst war, hätten wir uns höchstens ein paar Tage auf dem Campingplatz leisten können. Genau das hatten wir dann auch in den Herbstferien vor, vorausgesetzt, das Wetter spielte dann noch einigermaßen mit. Aufgeschoben war ja nicht aufgehoben. Hanna und ich hatten aber in der nächsten Woche trotzdem Urlaub.

"Morgen um diese Uhrzeit sind wir schon ein Ehepaar, Lucas", sagte Hanna und legte ihre Hände in meinen Nacken.

"Ja", bestätigte ich und gab ihr einen Kuss. "Warum haben wir das nicht schon viel früher gemacht?". Sie schmunzelte.

"Keine Ahnung", lachte sie. "Manches braucht eben einfach Zeit". Wie wahr. Allerdings gehörte ich wohl zu denjenigen, die besonders viel Zeit brauchten, um solche Dinge zu bemerken.

"Warum hast du dich überhaupt in so einen Kerl wie mich verliebt?", fragte ich sie deshalb. "Ich meine, damals... ich war 17, du 16. Und ich war nun wirklich kein Typ, in den sich ein Mädchen hätte verlieben sollen. Schon allein, weil ich ja echt nicht fähig war, eine richtige Beziehung zu führen". Hanna hatte, während ich gesprochen hatte, meinen Nacken gestreichelt. Nun holte sie ihre Hand nach vorne, streichelte dann ganz leicht mit ihren Fingern über meine Lippen, so dass ich eine Gänsehaut bekam.

"Ja, damals", sagte sie dann leise. "Aber das war nicht Unfähigkeit, du warst blockiert, das ist ein Unterschied"

"Aber das konntest du nicht wissen", meinte ich ebenso leise, weil ich das Gefühl ihrer Finger auf meiner Haut so genoss.

"Das vielleicht nicht", sagte sie, "aber man konnte erahnen, dass in dir mehr steckte. Man hat das ja auch immer mal wieder gesehen"

"Hat man das?"

"Hm", machte sie und ich konnte nicht anders und küsste sie.

Nach dem Kuss hakte ich noch mal nach:

"Wie hat man das gesehen?". Nun grinste sie mich an.

"Das würdest du gerne wissen, oder?"

"Ja, absolut", gab ich zu. "Denn wenn ich mich recht erinnere, war da wirklich nicht viel, was das hätte verraten können"

"Denkst du vielleicht", sagte Hanna. "Aber so war es ganz sicher nicht. Lucas, ich habe mich doch nicht in dich verliebt, weil ich dachte, es wäre ganz toll, wenn du mir wie so vielen anderen Mädchen auch das Herz brechen würdest". Sie schüttelte ihren Kopf und sah mich mit gekräuselten Lippen an. Ich lachte auf.

"Okay! Aber dann sage mir bitte, was du meinst, ja?".

Sie schmiegte sich an mich und wurde nachdenklich.

"Weißt du, es war so, dass da immer wieder ein ganz anderer Lucas zum Vorschein kam. Ja, du warst ganz oft der flirty Frauentyp und hast allein in der Zeit, als ich es mitbekommen habe, ganz schön oft eine neue Freundin gehabt. Aber die waren nie lange da. Und dann gab es diesen anderen Lucas, der z. B. zum Vorschein kam, wenn du bei Mark standest. Da wurdest du nachdenklich, manchmal waren deine Augen auch einfach traurig. Das war so etwas, wo ich dachte, dass ich dich gerne näher kennenlernen wollte, weil ich wissen wollte, wer denn nun der wahre Lucas war. Da war ich noch nicht in dich verliebt, nur auf dich aufmerksam geworden. Du weißt ja noch, damals, als du mit Nina aus meiner Klasse Schluss gemacht hattest". Und wie ich mich erinnerte!

"Oh Gott, Nina", seufzte ich auf. "Das war mal eine ganz andere Erfahrung. So etwas Bestimmendes und Vereinnahmendes hast du echt noch nicht gesehen!".

Hanna grinste mich an.

"Jedenfalls habe ich zuerst aus der Ferne versucht, dich ein bisschen besser kennenzulernen, aber weil das ja fast unmöglich ist, habe ich irgendwann Mark mit ins Boot genommen. Und du hast mir immer besser gefallen. Deine Kreativität etwa. Das war so schön, bei der 75-Jahr-Feier unserer Schule dein Bild neben meinem gesehen zu haben. Außerdem warst und bist du ein superloyaler Freund. Mark hat mir ein bisschen erzählt, wie es war, als dein Vater gestorben war. Dadurch haben sich auch einige Fragen bei mir geklärt. Ich kann mich auch an eine Situation erinnern, als eine Familie hier in Two Lake City durch einen Brand ihr Haus verloren hatten, weißt du noch?". Ich erinnerte mich dunkel.

"Waren das die Leute mit dem kleinen Haus in der Altstadt? In der Nähe der Kirche?"

"Ja, genau!", bestätigte Hanna. "Wie alt waren wir da? Ich 17 vielleicht? Jedenfalls hattest du die Idee, dass man die Familie so lange in unserer Turnhalle unterbringen kann, bis ihr Haus wieder renoviert war. Ich fand das wirklich großartig von dir!". Ich hielt sie noch fester. Es waren Dinge, die mir selbst nie in den Sinn gekommen wären, weil sie für mich eigentlich selbstverständlich waren. Dass ich meine Süße durch so etwas Einfaches hatte beeindrucken können, war mir unbegreiflich.

"Es wurde immer klarer", fuhr sie fort, "dass du ein ganz besonderer Mensch bist. Und auch wenn ich es sehr, sehr lange nicht begriffen habe, warum du so einen Freundinnenverschleiß hattest, so habe ich sehr wohl gesehen, was da in dir steckt. Nämlich ein riesengroßes Herz. Es war nicht mehr aufzuhalten, dass ich mich in dich verliebt habe". Sie gab mir einen zarten Kuss und ich ließ ihre Worte sacken. Es machte mich glücklich, so von ihr geliebt zu werden.

"Sag mal", sagte ich dann neckend, "du findest mich wohl nicht so attraktiv, oder? Oder warum sprichst du nur von meinem Charakter?".

"Sagt man doch, dass das das Wichtigste ist, oder?", grinste mich Hanna an.

"So sagt man wohl", meinte ich und fuhr mir durch meine Haare, "Aber nichtsdestotrotz würde ich meiner Braut morgen schon auch ein bisschen gefallen wollen"

"Ach ja, da war ja noch was", sagte Hanna und lachte. "Gott, Schatz! Du weißt genau, wie gut du aussiehst, oder?"

"Ich würde das ganz gerne noch mal hören"

"So etwas nennt man fishing for compliments", sagte Hanna.

"Mir egal", sagte ich rigoros und umschlang sie. "Weißt du, ich lasse dich einfach nicht mehr los, bis du mir das gesagt hast"

"Liebend gern! Jetzt bekommst du die Antwort natürlich überhaupt nicht mehr, wenn du mich dafür nie wieder loslässt", sagte Hanna und schmiegte sich wieder enger an mich. Ihr Duft stieg mir in die Nase, ihre Wärme drang bis zu meiner Haut vor und ich war so glücklich, sie zu haben. Sie begann, mich zu streicheln, und ich tat es ihr gleich. Wir begannen zu schmusen, und irgendwann flüsterte Hanna in mein Ohr:

"Lucas, du bist der attraktivste Mann, den ich kenne. Das warst du schon immer für mich"


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19.03.19 Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich die Seite nun fit für die DSGVO gemacht, alles ist online und ihr könnt hier wieder die Abenteuer meiner Schillers lesen!

 

Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

 

 

In meiner Geschichte gibt es immer wieder Bilder, die verlinkt sind und zu Videos auf verschiedenen Video-Plattformen führen. Diese Info steht auch bei jedem der verlinkten Bilder dabei.

 

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