Teil 3

Wir zögerten das Gespräch mit Susan und Marita keinen Tag mehr länger hinaus. Noch am gleichen Nachmittag gingen Hanna und ich zu Mohrs. Marita war zwar noch nicht da, doch Susan konnte uns ja sicher auch alles sagen, was wir wissen wollten. Sie wahrscheinlich noch mehr als Marita, weil diese beruflich oft unterwegs war und Susan von zu Hause aus arbeitete, weshalb sie dann auch meistens die Kinder betreute.

 

Wir hatten gerade erst einen Schritt ins Haus gemacht, als Hanna schon das Gespräch mit Susan suchte:

"Susan, wir müssen dringend mit dir reden", begann Hanna, und noch bevor sie weiterreden konnte, sagte Susan:

"Ich auch mit euch". Okay, das war nun keine Überraschung. "Aber fangt ihr ruhig an", fügte sie noch hinzu, und Hanna begann zu reden:

"In den letzten Tagen geht etwas Merkwürdiges mit Raphael vor sich. Und wir wollten fragen, ob ihr hier auch Veränderungen bemerkt habt".

Susan bekam augenblicklich einen betrübten Gesichtsausdruck.

"Ja. Leider", sagte sie dann. "Ich kann euch nicht mal sagen, wann genau es anfing, und vor allem, warum. Fiona lässt kaum was raus und ich kann nur das sagen, was wir so mitbekommen"

"Und das wäre?", hakte ich nach.

"Also, wir haben den Eindruck, dass sich Raphael von Fiona zurückzieht. Ich bemerke, wie sich Fiona so wie früher um ihn bemüht, egal, ob es hier ist oder am Telefon, und wie sich aber Raphael mehr und mehr von Fiona lösen möchte. Ich habe mich gefragt, an was das liegen könnte, habt ihr eine Ahnung?"

"Nein", bekannte ich. "Wir bekommen auch so gut wie nichts aus Raphael raus. Wir wissen nur, dass er sich auch von Tim etwas zurückgezogen hat. Allerdings nicht so extrem wie von Fiona. Und er wird regelrecht sauer, wenn wir ihn darauf ansprechen. Deshalb hatten wir gehofft, dass ihr genaueres wisst". Susan schüttelte den Kopf.

"Leider nicht. Aber ich muss euch noch etwas sagen. Vor zwei Tagen war Raphael ja hier und war dann so aufgebracht, dass er Fiona sogar mal gestoßen hat. Sie hat dann geweint, vermutlich mehr aus Schreck denn wegen der Schmerzen, aber trotzdem".

Mir fuhr der Schreck in die Glieder. Was hatte mein Sohn getan? Das war etwas ganz Neues.

"Gestoßen?", fragte ich schockiert nach.

"Ja. Es ist nichts passiert, aber Fiona war wirklich geschockt. Sie versteht nicht, warum Raphael nicht mehr mit ihr spielen möchte. Und natürlich, warum er sie gestoßen hat, was wirklich noch nie vorher vorkam".

"Wir verstehen es auch nicht", sagte Johanna, in deren Gesicht ich ebenfalls ablesen konnte, wie erschrocken sie war.

"Susan, ich werde versuchen, mit ihm zu reden", sagte ich dann. "So etwas kommt ja nicht grundlos von jetzt auf gleich, und ich möchte wissen, was passiert ist"

"Ja, das wäre wirklich mal gut zu wissen", seufzte Susan auf und wir versprachen uns, uns auf dem Laufenden zu halten.

Noch am gleichen Abend setzte ich mich mit Raphael auf die Couch, um mit ihm in Ruhe zu reden. Es half alles nichts, heute musste er mir sagen, was los war. So ging das wirklich nicht weiter!

"Raphael, ich habe heute mit Susan gesprochen", begann ich und Raphael runzelte die Stirn.

"Ja?", fragte er gedehnt und wusste vermutlich schon, über was wir gesprochen hatten. Er ließ nervös seine Beine baumeln.

"Sie hat gesagt, dass du Fiona vor zwei Tagen gestoßen hast, als du bei ihr warst und sie deshalb sogar geweint hat".

"Oh Papa, sie wollte unbedingt mit mir spielen, ich aber nicht mit ihr, und weil sie nicht aufgehört hat, habe ich sie von mir weggestoßen. Und dann hat sie gleich geheult. Mädchen sind wirklich sehr empfindlich, oder?"

"Nein, eigentlich nicht", nahm ich ihm den Wind aus den Segeln. "Würde es dir denn gefallen, wenn dich jemand stoßen würde?"

"Ich würde dann nicht gleich heulen!", sagte er.

"Wenn es jemand gemacht hat, von dem du das nie gedacht hättest, vielleicht schon", gab ich zu bedenken und er wurde nachdenklich. "Raphael, so geht das nicht!", sagte ich bestimmt. "Es werden keine Kinder gestoßen, nur weil dir was nicht passt, ja? Was ist denn nur los mit dir? Hat dir jemand was getan?". Raphaels Füße baumelten noch nervöser auf und ab. Er überlegte kurz, dann sagte er:

"Nein"

"Was war dann?". Wieder gab es eine Pause, weil er genau überlegte, was er sagen sollte.

Ich half ihm weiter:

"Wenn du es mir sagst, kann ich dir vielleicht helfen. Und du musst ja keine Namen nennen, wenn du nicht petzen möchtest". Ich vermutete so langsam nämlich ganz stark, dass ihn das daran hinderte, uns genaueres zu erzählen. Und wie durch ein Wunder begann er dann tatsächlich stockend zu erzählen:

"Also...Jemand hat mir was gesagt".

"Aha", machte ich. "Und was hat dieser Jemand gesagt?"

"Dass er es total komisch findet, dass ich so oft mit einem Mädchen spiele. Denn Mädchen seien doch richtig blöd. Er hat eine kleine Schwester, und er hat erzählt, dass die ganz oft schreit und total nervt". Ich grübelte. Möglich, dass er von Tim sprach. Denn Tim hatte eine kleine Schwester, die als Baby ein Schreibaby gewesen war. Das hatten wir noch im Kindergarten mitbekommen. Inzwischen war die Kleine aber auch schon fast drei Jahre alt und so weit ich wusste, lief es eigentlich ganz gut. Doch scheinbar hatte Tim diese anstrengende Zeit nicht vergessen.

"Okay. Derjenige, der das gesagt hat, ist dir wohl wichtig, oder? Sonst hättest du ja deswegen nicht sogar Fiona gestoßen".

Ich wusste nicht, ob es wegen meiner Worte war oder weil er sich nun endlich alles von der Seele reden konnte, doch Raphael begann zu weinen. Mein armer Junge musste in den letzten Tagen unglaublich viel Druck gehabt haben!

"Oh Papa", schluchzte er. "Das wollte ich eigentlich gar nicht. Aber Tim hat gesagt...", er stockte, weil er nun den Namen ausgeplappert hatte, doch ich beruhigte ihn:

"Keine Sorge, von mir erfährt niemand was".

Ich nahm ihn fest in den Arm.

"Ich kann mir vorstellen, wie das für dich war. Du wolltest nicht, dass Tim dich komisch findet, weil du mit Fiona spielst. Und eigentlich magst du Fiona aber noch und spielst auch gern mit ihr. Und weil du nicht gewusst hast, was du deshalb machen sollst, hast du mit beiden nicht mehr spielen wollen. War das so ungefähr?", half ich ihm.

"Ja", schluchzte er auf und ich drückte ihn noch fester. "Und ich habe Angst bekommen, dass auch ich eine Schwester bekomme, die dann dauernd schreit". Das war also auch noch dazu gekommen. Ich war recht erschrocken, mit was für Gedanken sich mein Kleiner in den letzten Tagen hatte herumschlagen müssen.

"Warum hast du nicht gleich mit uns gesprochen?", fragte ich ihn.

"Weil ich nicht petzen wollte", gab er zu.

"Raphael, das war nett von dir. Doch du kannst uns trotzdem jederzeit um Hilfe bitten. Du musst dich doch da nicht quälen, ja?". Er nickte und trocknete sich seine Tränen ab.

"Was soll ich nur machen, Papa?", fragte er dann leise.

"Magst du denn noch mit Fiona spielen?". Nun musste er nicht lange überlegen, sondern nickte sofort. Ich atmete tief ein. Das war irgendwie beruhigend.

"Dann machst du das natürlich auch. Du kannst Tim ja sagen, dass nicht alle Mädchen blöd sind. Und dass Fiona da dazu gehört. Wenn er dich dann damit weiter ärgert, dann sagst du ihm, dass du das nicht willst. Ich wette, dass er dann aufhört, weil er ja dein Freund ist, ja?"

"Okay", sagte Raphael.

"Und was ganz wichtig ist: Entschuldige dich bei Fiona! Die Arme wusste ja gar nicht mehr, was los war. Machst du das?"

"Ich traue mich nicht", sagte er kleinlaut.

"Aber es ist wirklich wichtig, Raphael!", sagte ich. "Soll ich dabei sein?"

"Nein, lieber nicht. Okay, ich rufe sie gleich an", sagte er und stand auf. Bevor er ans Telefon ging, sagte er dann noch zu mir: "Danke, Papa!".

 

Und ich hoffte so sehr, dass sich diese Sache nun wieder zum Guten wenden würde.

Es war an einem kalten Januartag, als Hanna nach dem Abendessen Wehen bekam.

Weil ich gerade mit Raphael im Zimmer spielte, rief sie nach mir.

"Lucas, kommst du mal bitte?". Und ich hörte schon ihrer Stimme an, dass etwas anders war als sonst. Als ich bei ihr war, hing sie sich gleich an mich.

"Ich habe Wehen", sagte sie und mit einem mal schlug mein Herz ein paar Takte schneller. War es heute so weit? Würde heute unser zweites Kind zur Welt kommen? Rein vom Termin war es absolut möglich, es war nur sechs Tage vor dem errechneten Termin.

"In welchem Abstand?", fragte ich sie um Ruhe bemüht.

"Die letzten beiden kamen im Abstand von 13 Minuten"

"Nur?", fragte ich überrascht. "Okay, leg dich erst mal hin, ich rufe meine Mutter an, damit sie auf Raphael aufpassen kann. Und dann fahren wir ins Krankenhaus".

Meine Mutter war sicher noch nie so schnell bei uns gewesen wie dieses mal, und sie war richtig aufgeregt. Ich versprach ihr, dass ich mich sofort meldete, wenn es etwas Neues gab, und dann konnten Hanna und ich losfahren.

Im Klinikum von Two Lake City war es eher ruhig, als wir ankamen. Die offizielle Besuchszeit war schon vorbei, und auch an der Rezeption war nur eine Dame vor uns dran. Als wir unser Anliegen darlegten, gab man auf der Geburtsstation Bescheid und sagte uns den Weg dort hin. Den wir aber auch noch von Raphael kannten.

Hanna wurde auf der Station gleich untersucht. Da der Muttermund schon sieben Zentimeter auf war, mussten wir gleich in den Kreißsaal. Ich stellte fest, dass seit Raphaels Geburt hier auch die Kreißsäle renoviert worden waren. Das Geburtsbett war jetzt eine richtige Bettlandschaft.

 

Hanna veratmete ihre Wehen, die nun noch schneller kamen. Es kostete sie jetzt schon einiges an Kraft.

Ich massierte sie, wenn sie sich wieder krümmte vor Schmerzen, und es tat mir selbst ganz weh, sie so sehen zu müssen. Ich wusste ja, dass das dazu gehörte, und wir hatten das beide ja schon mal durchgestanden, doch ich konnte es nicht verhindern, selbst nervös zu sein.

Hanna hatte irgendwann meine Hand gepackt, und drückte sie teilweise so fest, dass ich befürchten musste, dass mir meine Finger blau anliefen.

 

Doch natürlich ließ ich sie. Schon bei Raphael hatte sie sich gerne irgendwo reingekrallt, und wenn das jetzt eben meine Hand war, dann war das so. Viel helfen konnte ich ja sonst leider nicht. Doch ich versuchte, sie mit Worten zu unterstützen.

"Du machst das ganz wunderbar, Schatz", sagte ich etwa zu ihr, wenn sie nach einer Wehe kraftlos auf dem Bett lag.

"Mein Rücken bringt mich noch um!", sagte sie nun schon sehr viel erschöpfter. Der Muttermund war jetzt schon ganz auf, und die Hebamme hatte gesagt, dass ich mich ruhig hinter Hanna hinsetzen konnte, um ihren Rücken zu massieren. Also rutschte ich hinter sie und begann mit der Massage. Hanna entspannte sich tatsächlich kurzzeitig ein wenig in den Wehenpausen.

Wir gingen auf den Endspurt zu und Hanna war total fertig.

"Lucas, ich kann nicht mehr!", keuchte sie, während ich ihr den Schweiß abtrocknete. Sie war schweißgebadet. Ich aber auch, ich hätte mir gerne den Pulli ausgezogen, doch Hanna lehnte sich gegen mich und ich wusste von der Hebamme, dass es nun nicht mehr lange dauerte, deshalb sagte ich nichts.

"Aber natürlich schaffst du das!", sagte ich, obwohl ich selbst auch so langsam eine gewisse Erschöpfung spürte. Bei mir war es die innere Anspannung, die mich Kräfte kostete. "Du machst das ganz toll! Ich könnte das niemals!", ermunterte ich sie weiter.

"Sie können jetzt pressen, Frau Schiller!", hörten wir von der Hebamme, und Hanna kämpfte stöhnend mit den Presswehen. Die Hebamme hatte auch schon nach der Frauenärztin gerufen, also konnte es jetzt wirklich nicht mehr lange dauern. Ich redete die ganze Zeit beruhigend auf meinen Engel ein, obwohl ich nicht mehr wusste, was Hanna noch davon mitbekam oder nicht. Sie schrie regelrecht unser Kind aus sich raus.

Und plötzlich war es so weit: Das Baby hatte den Weg auf die Welt geschafft!

Die Hebamme legte Hanna unser Kind sofort auf den Bauch, und wie schon bei Raphael war es bei Hanna, als legte sich in dem Moment ein Schalter um. Sie strahlte sofort so glücklich, als sie diesen winzigen Menschen betrachtete.

"Sie haben eine Tochter bekommen!", teilte uns die Hebamme lächelnd mit.

 

Eine Tochter! Ein kleines Mädchen!!! Ich war so gerührt, dass meine Augen ganz wässrig wurden.

"Hallo, Rebekka!", sagte Hanna zu unserer Kleinen. Diesen Namen hatten wir schon sehr lange. Raphael hätte schon Rebekka geheißen, wenn er ein Mädchen geworden wäre.

Ich durfte dann die Nabelschnur durchtrennen, und dann legte ich mich noch mal neben meine Mädchen. Gemeinsam betrachteten Hanna und ich unser kleines Wunder.

"Oh, Lucas, sie ist zauberhaft!", sagte Hanna und in ihren Augen schimmerten nun ebenfalls Tränen.

"Ja", presste ich völlig ergriffen raus. Ich hätte so gerne mehr gesagt, aber ich konnte einfach nicht. Der Moment war zu magisch. Da Rebekka auch weinte, lagen wir drei hier nun alle heulend auf dem Bett.

"Ich liebe dich", sagte ich dann krächzend zu Hanna. "Dich und unsere Kinder".

"Und ich liebe euch", schluchzte Hanna und ich küsste sie auf ihre erhitzte Wange.

Willkommen, kleine Rebekka Schiller! ♥

Notenbild ist verlinkt und führt zu einem Video.

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Rebekka wurde dann untersucht, gewogen und gemessen, und allein der Satz, dass alles in Ordnung war und wir ein gesundes, kleines Mädchen bekommen hatten, ließ einen Stein von der Größe des Mount Everest von meinem Herzen plumpsen. Hanna war auch versorgt worden und konnte sich nun frisch machen, und ich durfte unsere Kleine baden.

Das Wasser gefiel der Kleinen sehr, und ganz sanft wusch ich diesen winzigen Körper. Im Gegensatz zu seiner kleinen Schwester war Raphael schon ein Riese, und ich musste mich wirklich erst wieder umgewöhnen.

"Na, meine kleine Prinzessin?", flüsterte ich Rebekka zu. "Du hast die Augen deiner Mama, weißt du das?". Klar wusste sie das. Was sonst. Ich brabbelte lauter so Zeug zu ihr, weil ich mich einfach so glücklich fühlte.

Natürlich waren wir nun auch auf Raphaels Reaktion gespannt. Als wir am nächsten Tag zusammen zum Kinderzimmer gingen, sahen wir, dass Rebekka gar nicht dort drin lag und ich vermutete, dass sie bei Hanna war.

So war es dann tatsächlich. Raphael beäugte seine kleine Schwester zuerst skeptisch.

"Das ist meine Schwester?", fragte er leicht ungläubig und ich musste grinsen.

"Ja, das ist deine Schwester Rebekka", sagte Hanna.

"Oh Gott, die ist ja winzig!", stellte er fest. Wahrscheinlich konnte er sich nicht vorstellen, dass er jemals mit ihr spielen könnte.

"Sie wird schnell groß werden, glaube mir", sagte ich. "Das sieht man ja auch an dir"

"Und sie hat das Glück, einen tollen, großen Bruder zu haben", sagte Hanna und schmeichelte unserem Sohn. Kurz darauf wurde die Kleine dann wach und hatte Hunger, und Raphael sah interessiert zu, wie Hanna Rebekka stillte. Ich sah, wie er ihre kleinen Finger begutachtete und schließlich ganz sachte darüber fuhr.

"Sie hat ja ganz weiche Haut!", stellte er fest.

"Ja, das hat sie", nickte ich und fand es herzerweichend, wie er sich langsam an seine Schwester ran tastete.

Schon bald kamen auch unsere Verwandte und Freunde ins Krankenhaus, um den neuen Erdenbürger zu begrüßen. Alle fanden unsere Kleine wunderschön, wir wurden mit Geschenken schier überschüttet. Es fanden sich viele rosa Kleidungsstücke darunter, die wir ja bis jetzt noch nicht besaßen.

Während Hanna und Rebekka noch im Krankenhaus waren, richtete ich dann Rebekkas Zimmer vollends ein. Wir hatten Fionas altes Zimmer genommen, dazu die Babymöbel von Raphael. Die waren zwar in einem zarten blau, aber durch die neuen Auflagen und Nestchen in Rosa- und Brombeertönen sah man trotzdem sofort, dass hier nun ein Mädchen lebte.

Und wie auch schon bei Raphael bekam auch Rebekka ihren Namen mit Holzbuchstaben an die Tür geschrieben, damit jeder wusste, wessen Reich das hier war.

Weil das Babyzimmer nun im oberen Stockwerk war, hatten Hanna und ich die Gelegenheit genutzt und unser Schlafzimmer in das alte Zimmer von Susan und Marita verlegt, das neben Rebekkas Zimmer lag. Unser altes Schlafzimmer war sowieso das kleinste Zimmer im Haus gewesen, jetzt hatten wir weitaus mehr Platz. Außerdem hatten wir bei der Gelegenheit auch das altersschwache Bett durch ein neues ersetzt.

 

Wir hatten Raphael angeboten, das letzte freie obere Zimmer als neues Zimmer zu bekommen, weil auch das größer als sein jetziges war und wir so alle unsere Schlafzimmer im oberen Bereich gehabt hätten, doch das war ihm wahrscheinlich ein bisschen viel Veränderung auf einmal und er wollte vorerst noch unten bleiben.

Als Hanna und Rebekka aus dem Krankenhaus entlassen waren, musste sich ein ganz neuer Rhythmus finden. Raphael hatte seinen eigenen, schon allein wegen der Schule. Und Rebekka den ihren. Hanna und ich teilten uns die Arbeit so gut es ging.

 

Und Raphael war immer wieder am Bett seiner Schwester zu finden, oder am Wickeltisch, wenn sie gewickelt wurde. Wir schlossen ihn ganz bewusst in die Aufgaben mit ein, z. B. durfte er sie ebenfalls mal wickeln. Wir hofften, dass wir es so schaffen würden, dass er nicht eifersüchtig wurde. Ich erklärte ihm auch, dass Rebekka ihren großen Bruder brauchte, auch später, damit er ihr bei den verschiedensten Dingen helfen konnte. Er könne ihr sehr viel beibringen. Dieser Appell an seinen Bruderstolz half dann tatsächlich, so dass er schon immer wieder nach ihr sah, wenn sie anfing zu weinen, weil sie Hunger hatte oder eine neue Windel brauchte.

Und Rebekka machte es uns allen auch sehr leicht, denn sie war ein sehr ruhiges Kind, dass schon nach wenigen Wochen mehrere Stunden am Stück durchschlief. Raphael war ja auch schon so pflegeleicht gewesen, und ich wusste wirklich nicht, wie wir das geschafft hatten.

Und mich hatte sie eh schon von Anfang an um den kleinen Finger gewickelt. Wenn sie mich so süß ansah, wenn ich sie hoch hob, dann schmolz ich jedes mal dahin.

"Na, kleine Lady?", sprach ich zu ihr. "Darf ich dich für einen kleinen Spaziergang entführen? Und sollen wir deinen Bruder fragen, ob er mit möchte? Ja? Alles klar!". Raphael ging dann wirklich mit. Er fuhr mit seinem Roller neben dem Kinderwagen her, während ich den Kinderwagen schob.

Der Sommer kam und Rebekka war jetzt schon fast ein halbes Jahr alt. Sie schlief tagsüber nicht mehr so viel und spielte nun schon mit ihren Sachen und brabbelte dabei vor sich hin.

Raphael ließ sich auch in keinster Weise durch seine kleine Schwester stören. Ich vermutete, dass er sogar so etwas wie einen Beschützerinstinkt entwickelt hatte.

An diesem Tag standen plötzlich die Mohrs vor der Tür, was uns sehr freute.

"Schön, dass ihr mal wieder vorbei schaut, Susan!", begrüßte ich unsere alte Mitbewohnerin.

Fiona und Raphael spielten gleich miteinander, und ich war so froh, dass Raphael nun wieder ganz der Alte war. Doch es war erschreckend zu sehen, wie schnell sich so etwas ändern konnte. Wir hofften natürlich, dass wir nie wieder in so eine Situation kommen würden.

Irgendwann hob ich die Kleine hoch und knuddelte sie ausgiebig. Meine Güte, wie sehr ich meine Familie liebte! Ich fand es nun völlig unbegreiflich, dass es mal eine Zeit gegeben hatte, in der ich weder Kinder noch eine Frau wollte. Und jetzt konnte ich mir nicht mehr vorstellen, ohne meine Familie zu sein.

Rebekka griff nun immer besser. Auch jetzt hatte mein T-Shirt-Kragen ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Noch etwas später war auch Mark zu uns reingeschneit. Tanja war auf einer Tagung in Berlington, weshalb mein armer Kumpel sich nun ein bisschen allein gefühlt hatte. Nun, bei uns war immer was los, hier würde er sich ganz bestimmt nicht alleine fühlen.

Die Kinder nahmen ihn sofort in Beschlag und überredeten ihn, eine Runde Basketball mit ihnen zu spielen. Mark war schon immer um einiges sportlicher als ich gewesen, aber gut, das war ja auch keine große Kunst. Wer war schon unsportlicher als ich?

Während Mark, Raphael und Fiona also spielten, ging ich mit Rebekka zu Hanna, Marita und Susan. Hanna fragte Marita gerade:

"Wie ist es denn jetzt, wenn Raphael bei euch ist? Hat sich das wieder normalisiert?"

"Auf jeden Fall!", sagte Marita. "Als wäre nichts gewesen. Fiona ist richtig glücklich deswegen. Ich glaube, sie denkt da auch gar nicht mehr daran. Kinder verzeihen da wirklich sehr schnell"

"Gott sei Dank!", sagte Hanna. "Wenigstens hat sich dann das Problem gelöst, oder?"

"Ja, ich denke auch", sagte Marita lächelnd, und auch mir fiel ein Stein vom Herzen.

"Aber wenn wir eure Kleine da so sehen", begann dann Susan, "dann überlegen wir wirklich, ob wir nicht doch noch mal Kontakt zu Christian Kappe aufnehmen sollen. Wir haben da ja eigentlich immer noch etwas offen". Etwas offen - das war gut. Die beiden hatten ja vor einigen Jahren überlegt, ob sie von Alberts Cousin Christian eine Samenspende nahmen, um ein Baby zu bekommen. Als sie dann jedoch ganz überraschend Fiona hatten adoptieren können, war das vorerst auf Eis gelegt worden.

"Wirklich?", fragte Hanna lächelnd. "Haltet uns auf dem Laufenden, ja?"

"Das machen wir natürlich", sagte Susan.

Es war richtig schön zu sehen, dass Raphael und Fiona nun wieder so wie früher zusammen spielten. Ich hatte meinen Sohn mal gefragt, ob Tim noch mal was gesagt hatte, und Raphael hatte erzählt, dass Tim noch mal versucht hatte, ihm klar zu machen, dass man mit Mädchen nicht spielen konnte. Doch Raphael hatte sich dann meine Worte zu Herzen genommen und ihm gesagt, dass nicht alle Mädchen gleich waren und man mit Fiona gut spielen konnte. Nun war es sogar ab und zu mal vorgekommen, dass sie zu dritt gespielt hatten. Fiona war eben die ersten Jahre mit einem Jungen aufgewachsen und hatte überhaupt keine Probleme, auch mal zu kicken oder Cowboy und Indianer zu spielen. Das hatte wohl auch Tim überzeugt, dass Fiona kein blödes Mädchen war.

Und weil auch Raphaels Angst, seine Schwester könne dauernd schreien, überhaupt nicht eingetroffen war, war er wieder der ausgeglichene Junge von früher.

Hanna genoss ihre Zeit zu Hause als Mutter. Sie liebte ihren Job, das war klar, aber die Pause fand sie jetzt eher bereichernd denn störend und ging in der Mutterrolle erneut total auf.

Und wurde dafür mit so einem hinreißenden Lächeln belohnt!

Das erste Jahr mit Rebekka war so schnell vorbei gegangen und schon stand ihr erster Geburtstag an.

"Rebekka, heute sind viele Gäste da. Und alle sind sie wegen dir gekommen", sagte ich zu ihr, nachdem ich sie für ihr Fest fein gemacht hatte. Ihre Zöpfchen hätte Hanna wahrscheinlich besser hinbekommen, aber ich war da ja auch absolut ungeübt.

Ihre Torte war auch schon so gut wie fertig, einzig ihre Kerze darauf fehlte noch.

Unser Mädchen verfolgte interessiert, was ihre Gäste so machten. Sie verstand natürlich noch gar nicht so richtig, was heute los war. Und beim Geschenke auspacken war das Rascheln des Papieres oder die Geschenkbänder auch zigmal so interessant als das Geschenk selbst.

Dabei bekam sie viele schöne Sachen, und der Boden des Esszimmers war schon bald kaum mehr begehbar.

Wir alle ließen uns den Kuchen schmecken und feierten diesen besonderen Tag.

Selbstverständlich bekam auch das Geburtstagskind etwas vom leckeren Kuchen zu essen.


Als Rebekka dann irgendwann die Augen kaum mehr aufhalten konnte, brachte Hanna sie dann ins Bett. Es war eben doch ein aufregender Tag gewesen.

Und als die Gäste gegangen waren und Raphael ebenfalls ins Land der Träume gereist war, ließen Hanna und ich den Abend kuschelig ausklingen.

In diesem Winter spielten Raphael, Hanna und ich gerne mit unserem neuem Spiel, was "Lass das Lama pennen!" hieß. Es war ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man Stäbchen auf ein Lama stapeln musste, möglichst ohne das die runterfielen. Für uns ein großer Spaß!

Hanna konnte manchmal gar nicht richtig hinsehen!

Ich wusste, dass Raphael die Zeit mit uns alleine genoss, auch wenn er auf seine Schwester nicht eifersüchtig war. Er war es ja eigentlich sogar eher gewohnt, dass noch ein anderes Kind im Haus lebte, nämlich von der Zeit, als noch Mohrs hier gewohnt hatten. Deshalb war es für ihn sicher normaler, eine Schwester zu haben als der Zustand des allein seins davor. Aber die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern zu haben gefiel ihm trotzdem gut.

Und so verbrachten wir, gerade jetzt im Winter, wenn es draußen schon früh dunkel war, immer einige Zeit an diesem Spieltisch.

Rebekka bekam dann schon bald neue Zähne, diesmal im Unterkiefer, und hatte deshalb wieder unruhigere Nächte. Hanna und ich wechselten mit dem Aufstehen ab, und da ich heute dran war, ging ich in dieser Nacht los, um ihr zu helfen. Sie mochte Naturjoghurt gerne und das Kühle half, wenn die Schmerzen nicht zu schlimm waren. Außerdem lagerten wir den Beißring im Kühlschrank, damit sie darauf herumkauen konnte und ebenfalls Kühlung bekam, und wenn gar nichts mehr half, hatten wir noch gutes Zahngel für sie.

"Bekommst du neue Zähne?", fragte ich sie und sie brabbelte vor sich hin. Ich sah ihr in den Mund, und wirklich: Die zwei Zähne neben den unteren Frontzähnen waren durchgebrochen. Das Zahnfleisch war blutrot und vielleicht sogar ein bisschen entzündet, damit war das Zahngel schon mal aus dem Rennen.

"Versuchen wir es mal mit Joghurt, hm?", machte ich und nahm sie mit in die Küche, wo ich ihr den Joghurt gab. Danach bekam sie den kühlen Beißring, dann legte ich sie wieder hin in der Hoffnung, sie würde bald wieder schlafen. Sie war inzwischen tatsächlich so müde, dass sie dann trotz der Zahnschmerzen wieder ziemlich schnell einschlief. Und so konnte auch ich mich wieder hinlegen.

Raphael verbrachte jetzt immer öfter Zeit mit seiner Schwester, seit sie nun etwas größer war.

Und die Kleine hatte eh einen Narren an ihrem großen Bruder gefressen.

So hatte sich nun nach dem ersten Jahr tatsächlich alles schon ziemlich gut eingespielt. Von den Machtkämpfen, Eifersüchteleien, Schreiattacken und sonstigen Katastrophen waren wir - vorerst zumindest - verschont geblieben.

Und deshalb hatten Hanna und ich die Idee, dass wir doch zum Fotografen gehen könnten, um uns ein paar schöne Familienbilder machen zu lassen.

"Rebekka, schau mal nach vorne, da ist der Fotograf!", lachte ich sie an, als sie sich immer wieder umdrehte und mich ansah. Als hätte sie ihren Daddy noch nie gesehen.

Doch bald gab es die ersten Bilder von uns Vieren.

Und dann natürlich auch noch von unseren zwei Mäusen alleine.

Letztlich hatten wir eine paar schöne Bilder, die wir uns im Haus aufhängen konnten:



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19.03.19 Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich die Seite nun fit für die DSGVO gemacht, alles ist online und ihr könnt hier wieder die Abenteuer meiner Schillers lesen!

 

Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

 

 

In meiner Geschichte gibt es immer wieder Bilder, die verlinkt sind und zu Videos auf verschiedenen Video-Plattformen führen. Diese Info steht auch bei jedem der verlinkten Bilder dabei.

 

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